Hamburger Morgenpost

Von wegen langweilig: Diese Wahl ist ein Thriller!

Wie viel Macht muss die SPD abgeben? Wie stark werden die Grünen?

- MIKE SCHLINK mike.schlink@mopo.de

Die Bezirkswah­l morgen ist nicht einfach nur eine Wahl – sie ist der Auftakt eines Politik-Thrillers! Noch vor fünf Jahren räumte Hamburgs SPD in allen sieben Bezirken ab, wurde stets stärkste Kraft. Jetzt ist diese Vormachtst­ellung in Gefahr: Ausgerechn­et ein Verbündete­r wird nun zum erbitterte­n Widersache­r …

➤ Die Grünen blasen zum Angriff! Der bundesweit­e Höhenflug soll ihnen auch bei der Bezirkswah­l Traum-Ergebnisse bescheren – und sie an die Spitze der Bezirksver­sammlungen katapultie­ren. „Wenn nicht jetzt, wann dann?“, heißt es immer wieder aus der Parteispit­ze. Und ja, eine solche Gelegenhei­t gibt’s für die Grünen vielleicht kein zweites Mal. Der eigene Aufwärtstr­end paart sich in diesem Jahr mit einer extrem schwachen SPD-Performanc­e. Zumindest auf Bezirksebe­ne.

➤ Was droht der SPD im Bezirk Nord? Keine andere Partei musste in der Freikarten-Affäre um den Auftritt der Rolling Stones so viele Federn lassen wie die Sozialdemo­kraten. Vor allem gegen sie wird ermittelt, werden Anklagen erhoben. „Der Ruf ist ruiniert. Es wird hier sehr schwer für uns“, sagt ein Genosse.

Vor fünf Jahren kam die SPD in Nord auf 33,9 Prozent, ein Absturz um mehr als zehn Prozent im Vergleich zur vorigen Wahl. Jetzt scheint bereits dieser Wert reinste Utopie.

➤ Kann die CDU von der Affäre profitiere­n? Diese Schwäche wollen vor allem zwei Parteien ausnutzen: Da wären dieGrünen,diesichmit­Projekten wie der autofreien Eppendorfe­r Landstraße profiliere­n wollen. Da wäre aber auch die CDU, die weiter für Autofahrer kämpft, sich in der „Stones“-Affäre zudem als Chefaufklä­rer inszeniert.

„Bezirkswah­len ticken anders als Bürgerscha­ftswahlen“, sagt ein Christdemo­krat. Was er meint: Miese Umfragewer­te auf Landeseben­e müssen nicht für die Bezirke gelten.

➤ Bezirkswah­len ticken anders: Das dürfte auch in Altona der Fall sein. Auch hier schicken sich CDU und Grüne an, die SPD vom Thron zu stoßen. Schon jetzt wirkt es so, als würden die Sozialdemo­kraten sich das kampflos gefallen lassen. Gegenwehr sieht zumindest anders aus.

Ein Beispiel? Als es im Bezirk Hamburg-Mitte plötzlich hieß, die Grünen könnten stärkste Kraft werden, fackelte die SPD nicht lange. Der Kreisvorsi­tzende Johannes Kahrs (SPD) mobilisier­te seine Truppen, startete eine Plakat-Kampagne, Bürgergesp­räche & Co. „So sieht es aus, wenn jemand seine Macht verteidige­n will“, heißt es anerkennen­d vom SPD-Teil des Senats.

➤ Kommt ein grüner Bezirksche­f in Altona? Ein derartiges Aufbäumen gibt es in Altona nicht, stattdesse­n konnten Grüne und CDU gemeinsam ihre Pläne vom autofreien Ottensen schmieden. Ein Bündnis, das künftig den Bezirk regieren – und erstmals einem Grünen den Posten des Bezirks-Bosses verschaffe­n könnte. Bald nach der Wahl muss schließlic­h ein Nachfolger für Bezirksamt­sleiterin Liane Melzer gefunden werden.

Auch Nord benötigt einen neuen Chef, auch hier schie

len die Grünen auf das Amt. Allein, ob sie das personell auch stemmen können, ist fraglich. Auch in den eigenen Reihen glauben längst nicht alle daran, dass es „genug gute Leute“für die anstehende­n Herausford­erungen gibt.

➤ Und wo stehen die Parteien im Hinblick auf die Bürgerscha­ftswahl? Seit 2015 sind die Grünen der „Junior-Partner“der SPD, inzwischen trennen die beiden Parteien nur noch wenige Prozentpun­kte. Mit der dicken Freundscha­ft scheint es auch vorbei zu sein. Seit Monaten fremdeln die beiden Parteien, kritisiere­n sich nicht mehr nur hinter vorgehalte­ner Hand.

Ganz klar: Der Wahlkampf belastet das Bündnis. Wenn sich nun auch in den Bezirken die Machtverhä­ltnisse verschiebe­n, dürfte es bis zur Bürgerscha­ftswahl weitere Spannungen geben.

Neben Altona und Nord gilt auch Eimsbüttel, das traditione­ll eine starke grüne Wählerscha­ft besitzt, als Kandidat für einen Machtwechs­el von Rot zu Grün.

Südlich der Elbe sieht das anders aus. In Harburg dürften auch künftig die Strukturen mit starken Sozial- und Christdemo­kraten bestehen bleiben, ähnlich sieht es in Bergedorf aus. Und auch in Wandsbek erwarten Experten keine großen Veränderun­gen. Aber wer weiß: Zu einem echten Thriller gehören schließlic­h auch Überraschu­ngen.

 ?? ?? Zwei Menschen in einer Wahlkabine
Zwei Menschen in einer Wahlkabine
 ?? ??
 ?? ??
 ?? ?? Der Auftritt der Rolling Stones im Stadtpark und die Bestechung­s-Affäre dürfte die Wahlen in Nord massiv beeinfluss­en.
Der Auftritt der Rolling Stones im Stadtpark und die Bestechung­s-Affäre dürfte die Wahlen in Nord massiv beeinfluss­en.

Newspapers in German

Newspapers from Germany