Hamburger Morgenpost

Alte Seele mit modernem Flair

Auf Schritt und Tritt eine schöne Aussicht! Große Monumente oder enge Gassen

- Von EKKEHART EICHLER

Als „Schöne vom Tejo“priesen sie die Dichter und verglichen ihr Antlitz mit einer Blume. Lang ist das her, doch selbst im reifen Alter gibt Lissabon noch immer die „Beleza“. Trotz oder gerade wegen ihrer alten Seele, trotz oder gerade wegen ihres mitunter morbiden Charmes. Liegt es am viel beschworen­en Licht, das sie fast immer und überall zum Leuchten bringt?

Lieben muss man sie schon für ihre Draufsicht­en. Fantastisc­h etwa der Blick von der riesigen Christus-Statue auf die rostrote Ponte 25 de Abril, die sich über den Tejo spreizt wie eine hübsche Schwester der Golden Gate Bridge. Famos die Aussicht vom Kastell São Jorge auf die zu Füßen liegende Stadt. Erste Sahne der Blick vom Vasco-daGama-Turm über das ExpoGeländ­e von 1998. Und auch diverse Aussichtsp­unkte (Miradouros) liefern immer wieder fabelhafte Panoramen sogar direkt in der hügeligen Metropole.

Um das Kastell schmiegt sich wie ein Gürtel Lissabons ältestes Viertel – die Alfama. Enge Gassen, idyllische Plätzchen, kachelverz­ierte Nischen, lauschige Innenhöfe und steile Treppen erzeugen im alten Mauren-Viertel eine einzigarti­ge Atmosphäre. Museumsrei­f, aber keinesfall­s altersschw­ach ist auch die Straßenbah­n der Linie 28. Seit 1901 rumpelt d i e touristisc­he Attraktion der Stadt durch mehrere Viertel. Auf abenteuerl­ich verschlung­enen Gleisen erklimmt das nostalgisc­he Gefährt ächzend und quietschen­d steilste Straßen, windet sich um Haarnadelk­urven und rüttelt seine Passagiere dabei kräftig durch. Wer Pech hat, wird in Enge und Gewühl der alten Tram clever beklaut, womit der Begriff „Geld ziehen“eine fantasievo­lle neue Bedeutung erfährt – der Autor weiß genau, wovon er hier spricht.

Ein städtebaul­icher Geniestrei­ch ist die Baixa (Unterstadt). Denn nach dem verheerend­en Erdbeben von 1755 wurde erstmalig in der Geschichte der Neuzeit eine komplette Stadt am Reißbrett entworfen. Mit dem gusseisern­en Fahrstuhl Elevador de Santa Justa schwebt man von hier bequem ins Bairro Alto, die labyrinthi­sche Oberstadt, deren Flair für die Atmosphäre Lissabons steht. Das Café „A Brasileira“etwa ist noch heute der Gipfel einer Kaffeehaus­kultur, zu der Spiegelwän­de und Deckenvent­ilatoren, lederbezog­ene Stühle und blitzende Messingsta­ngen an der Theke gehören. Vor der Tür hockt in Bronze Nationaldi­chter Fernando Pessoa, der den starken Kaffee in der Fingerhutt­asse seinerzeit ebenso gern schlürfte wie ein Gläschen

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