St. Paulis dunkelste Stunde
Millionenschulden! Lizenzentzug und Zwangs-Abstieg in die Oberliga Nord vor genau 40 Jahren
Zum 30.6. wird der FC St. Pauli das Geschäftsjahr zum achten Mal in Folge mit einem Gewinn abschließen. Dem Kiezklub geht es so gut wie noch nie. Heute vor exakt 40 Jahren ging es ihm so schlecht wie noch nie: Am 9. Juni 1979 wurde den Braun-Weißen wegen Schulden in Millionenhöhe die Lizenz entzogen. Es folgte der Zwangsabstieg in die Oberliga Nord. Die schlimmste Krise der Vereinsgeschichte nahm ihren Lauf.
Es war ein sonniger Morgen, als sich die Zweitliga-Mannschaft mit ihrem Trainer Sepp Piontek per Bus auf den Weg zum Saisonfinale bei Preußen Münster machte. Doch die Stimmung war extrem gedrückt, weil die Lizenz in zwei Instanzen verweigert worden war. Es blieb demnach nur noch ein „Gnadengesuch“.
Mittags auf der Autobahnraststätte Münsterland stoppte der St. Pauli-Tross wenige Stunden vorm Anpfiff noch einmal. Manager Werner Pokropp telefonierte mit dem DFB, fragte nach dem Ergebnis des Bettelantrags. Als er sich mit hängenden Schultern dem Bus näherte, schüttelte er frustriert den Kopf, sagte beim Einsteigen mit leiser Stimme nur: „Jungs, es ist vorbei!“
Das Match bei den Preußen ging mit 0:4 – beinahe ohne Gegenwehr – verloren, die konsternierten Profis beendeten die sportlich gute Zweitliga-Saison als Sechster. Trotzdem hieß die Zukunft Oberliga, weil Präsident Ernst Schacht und sein Vize Max Uhlig offensichtlich schon lange die Übersicht über die Klub-Finanzen verloren hatten.
Bei einer Krisensitzung kurz danach im Klubhaus weinte Unikum „St. Pauli-Willi“hemmungslos, flehte die Spieler an: „Ihr dürft nicht weggehen, St. Pauli darf nicht untergehen.“Doch die Mannschaft, die in der Folgesaison in die Bundesliga aufsteigen sollte, flog auseinander. Jürgen Rynio (Hannover 96), Dietmar Demuth (Bayer Leverkusen), Horst Neumann (Darmstadt 98) und Holger Hieronymus (HSV) verließen St. Pauli ebenso wie Niels Tune-Hansen und Horst Feilzer (VfL Osnabrück).
St. Pauli-Fan Wolfgang Kreikenbohm, Ponyhofbesitzer in Padenstedt und hochrangiger Bundeswehr-Offizier, schwang sich zum Retter auf. Er setzte sich mit seinem Team bei der außerordentlichen Mitgliederversammlung am 27. August 1979 gegen Schacht und Uhlig, die nicht freiwillig zurücktreten wollten, durch, übernahm für drei Jahre. Die bittere Bestandsaufnahme: Statt der anfangs vermuteten zwei kamen über drei Millionen Mark Verbindlichkeiten ans Licht. Überall am Millerntor klebten „Kuckucks“, der Gerichtsvollzieher war Dauergast.
Kreikenbohm hatte zudem mit einem immensen Imageverlust zu kämpfen: „Ex-Hauptsponsor Lüder Bauring wollte von den Banden runter, obwohl er gar nichts mehr zahlen musste.“Den totalen Bankrott konnte Kreikenbohm, der seinen späteren Nachfolger Dr. Otto Paulick als Vize an seiner Seite hatte, durch einen außergerichtlichen Vergleich mit allen Gläubigern abwenden. Für viele ein Wunder. Einen Trikotsponsor gab es 1979/80 nicht, die Heimspiele fanden manchmal vor nur wenig mehr als 1000 Zuschauern statt. Die neu zusammengewürfelte Mannschaft wurde erst übergangsmäßig von Manager Pokropp, dann von Kuno Böge trainiert. Reinhard Rietzke, Walter Frosch, Gino Ferrin, Frantz Mathieu, Jens-Peter Box und Co. spielten in der Oberliga Nord gegen Teams wie Delmenhorst, Gifhorn, BU oder Hameln, schafften mit Mühe einen zehnten Platz. Kreikenbohm: „Einen nochmaligen Abstieg hätten wir nicht verkraftet.“Der Wiederaufstieg in die 2. Liga gelang 1984.
Unser ExHauptsponsor wollte von den Banden runter, obwohl er nichts mehr zahlen musste. Ex-Boss Wolfgang Kreikenbohm