Nazi-Spur im Fall Lübcke
Tatverdächtiger mit NPD-Kontakten soll vor 20 Jahren Asylunterkunft attackiert haben
Im Fall des getöteten Politikers Walter Lübcke hat die Generalbundesanwaltschaft das Verfahren übernommen. Es gibt Hinweise auf ein politisches Motiv. So soll der Tatverdächtige 1993 bereits einen Anschlag auf ein Asylbewerberheim verübt haben und im Umfeld der NPD aktiv gewesen sein. Der am frühen Sonnabend festgenommene und dringend tatverdächtige Stephan E. (45) soll nach Informationen aus Sicherheitskreisen bereits 1993 im Alter von 20 Jahren mit einer Rohrbombe eine Asylbewerberunterkunft im hessischen Hohenstein-Steckenroth angegriffen haben, berichtet die „Zeit“.
Die Bombe war in einem Auto untergebracht gewesen, das in Brand gesetzt wurde, aber gerade noch rechtzeitig von Bewohnern der Unterkunft gelöscht werden konnte, bevor der Sprengsatz detonierte. Stephan E. wurde damals zu einer Freiheitsstrafe ohne Bewährung verurteilt. Zuvor hatte er im November 1992 auf der Toilette des Wiesbadener Hauptbahnhofs einen Mann erst von hinten und dann von vorne mit einem Messer angegriffen und lebensgefährlich verletzt. Später erklärte er vor Gericht, er habe sich von dem Mann sexuell belästigt gefühlt; dabei habe er es, wie es im Urteil heißt, „für sich als besonders belastend empfunden, dass es sich bei dem Zeugen (...) erkennbar um einen Ausländer handelte“.
Auch der Verdacht eines rechtsextremistischen Hinsich tergrunds beim Täter habe erhärtet, er sei im Umfeld der hessischen NPD aktiv gewesen. Laut „Spiegel“soll der Mann außerdem bei einer Kundgebung von 400 autonomen Nationalisten in Dortmund festgenommen worden sein. Die Rechtsradikalen hatten am 1. Mai 2009 eine Veranstaltung des DGB attackiert. Der Mann wurde damals wegen Landfriedensbruchs zu sieben Monaten Haft auf Bewährung verurteilt.
Die „Süddeutsche Zeitung“berichtet zudem online, dass der Verdächtige auf seinem Youtube-Kanal gesagt habe, wenn die Regierung nicht bald handle, werde es Tote geben. Dem Bericht zufolge wurden bei einer Durchsuchung seiner Wohnung Waffen gefunden, allerdings nicht die Tatwaffe.
Gestern hat der Generalbundesanwalt die Ermittlungen übernommen – wie immer, wenn es einen extremistischen/politischen Hintergrund gibt.
Der 65-jährige Lübcke war in der Nacht zum 2. Juni gegen 0.30 Uhr auf der Terrasse seines Wohnhauses in Wolfhagen-Istha entdeckt worden. Er hatte eine Schussverletzung am Kopf und war daran gestorben. Seither ermittelte eine 50köpfige Sonderkommission. Nach Lübckes Tod hatten hasserfüllte und hämische Reaktionen aus der rechten Szene im Internet für Empörung gesorgt.
Schon zu Lebzeiten hatte Lübcke Morddrohungen erhalten. Als Chef des Regierungspräsidiums Kassel, einer Art Mittelbehörde zwischen Landesregierung und Kommunen, hatte sich der Spitzenbeamte in der Flüchtlingskrise vor vier Jahren für die Unterbringung von Flüchtlingen in Nordhessen ausgesprochen.