Hamburger Morgenpost

Kinder ärgern Schaustell­er dann verliert der die Nerven

Skurriler Fall: Lothar S.(78) soll Jungen (11) mit Eisenstang­e geschlagen haben

- SIMONE PAULS s.pauls@mopo.de

Ja, Kinder können nerven. Auch Dom-Schaustell­er Lothar S. fühlte sich von einem Jungen (11) provoziert. Seine Reaktion darauf hat ihn nun vor das Amtsgerich­t gebracht. Der Vorwurf: Er soll den Schüler mit einer Eisenstang­e geschlagen haben.

Lothar S. ist 78 Jahre alt, seit 72 Jahren arbeitet er auf dem Dom. Schwerfäll­ig setzt er sich neben seine Anwältin und atmet tief durch. Er hört nicht mehr ganz so gut, die Richterin muss ihre Fragen manchmal wiederhole­n. Noch nie hat er sich etwas zuschulden kommen lassen. Er guckt erschöpft und auch ein bisschen empört.

Seit Jahrzehnte­n betreibt der Schaustell­er eine Bude, an dem die Gäste versuchen, aufploppen­de kleine Baumstämme mit einem Hammer zu treffen. Der Mann lässt sich nichts gefallen – und traf im August 2018 auf einen selbstbewu­ssten Jungen, der sich nichts sagen ließ.

Mehrfach sei der Junge mit seinen Freunden am Stand gewesen und habe mit dem Hammer zugeschlag­en, ohne zu bezahlen. Frech sei er gewesen. „Beim dritten Mal habe ich den Draht genommen und ihn angestoßen“, sagt Lothar S. Geschlagen habe er ihn nicht.

Was in der Anklage als Eisenstang­e bezeichnet wird, ist 50 Zentimeter lang und drei bis vier Millimeter dick. Laut Anklage erlitt das Kind Schmerzen am Kopf sowie eine Beule.

Am Tag danach erschien der Junge mit Mutter und Polizei beim Schaustell­er. „Ich wollte mich entschuldi­gen, weil ich ein bisschen Scheiße gebaut hatte. Wir waren frech, das gebe ich zu. Er sagte, er nimmt die Entschuldi­gung nur an, wenn ich die Anzeige zurückzieh­e. Aber das wollte ich nicht. Denn Gewalt ist ja keine Lösung“, so das Kind zur Richterin.

Ob der Junge mit dem Draht nun geschlagen oder nur angetippt wurde, kann das Gericht nicht feststelle­n. Die Richterin stellt das Verfahren ein. Zum Abschluss sagt sie: „Das war schon eine besondere Situation. Die Kinder haben Sie provoziert. Aber natürlich durften sie den Jungen nicht mit einer Stange anstoßen. Lassen Sie sich in Zukunft nicht provoziere­n.“

Das wird vermutlich in der Tat nicht mehr passieren – nach dem Sommerdom geht Lothar S. in Rente. Seine Knie machen Probleme und das Hammer-Spiel lohnt sich schon lange nicht mehr.

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Lothar S. verbirgt sein Gesicht hinter einer Akte. Links neben ihm steht seine Anwältin.
 ??  ?? Der Hamburger Dom. Hier arbeitet der Schaustell­er bereits seit 72 Jahren. Erst im Betrieb seiner Eltern, dann in seinem eigenen.
Der Hamburger Dom. Hier arbeitet der Schaustell­er bereits seit 72 Jahren. Erst im Betrieb seiner Eltern, dann in seinem eigenen.
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