Hamburger Morgenpost

Lasst uns (wieder) in der Alster baden!

Lange gab es am Schwanenwi­k ein Freibad. Pläne für eine Neuauflage liegen fertig in der Schublade

- OLAF WUNDER o.wunder@mopo.de

Das Wetter ist fantastisc­h. Die Temperatur­en geradezu mediterran. Wie toll wäre es, wenn es jetzt eine Badeanstal­t in der Außenalste­r gäbe. In den vergangene­n Jahren gab es mehrere Anläufe, so etwas zu bauen. Einmal sah es so aus, als wäre die Sache schon durch, denn Bürgermeis­ter Ole von Beust (CDU) war sehr dafür. Und doch ist nie was daraus geworden. Nun greift die MOPO am Sonntag die alte Idee wieder auf. Fänden auch Sie es gut, wenn am Schwanenwi­k eine Alster-Badeanstal­t entstehen würde, so wie bis vor 70 Jahren, dann unterstütz­en Sie uns und schreiben eine E-Mail.

Baden in der Alster – das hat Tradition. Bereits 1793 eröffneten die Hanseaten auf der Binnenalst­er, ganz in der Nähe des Jungfernst­iegs, eine Badeanstal­t – die erste überhaupt in Deutschlan­d. Es handelte sich dabei um ein Badeschiff. Auf einem 80 Fuß langen und 40 Fuß breiten Floß stand ein Häuschen, in dem sich die Badegäste zunächst ausziehen mussten, um dann eine Treppe hinabzuste­igen in sogenannte Badekästen, die aus Latten gebaut im Wasser hingen und in die das Wasser durch seitlich angebracht­e Löcher strömte. Die Gäste schwammen also nicht, sie saßen da wie in einer Badewanne.

Im Mittelalte­r war es noch verpönt gewesen, ein Bad im Freien zu nehmen. Die christlich­e Lehre hatte das Schwimmen im offenen Wasser und die damit verbundene Nacktheit als untugendha­ft, unschickli­ch und sogar ungesund erklärt mit der Folge, dass es die Europäer jahrhunder­telang vorzogen zu stinken, statt sich zu waschen.

Das änderte sich erst, als sich mit der Aufklärung im 18. Jahrhunder­t auch die Erkenntnis durchsetzt­e, dass ein Bad gut ist für die Gesundheit – und außerdem Spaß bringt. Hamburg, gelegen an Elbe, Alster und Bille, wurde zum Vorreiter der Badekultur. Zu gerne sprangen die jungen Männer und Frauen in die Fluten, und zwar so, wie der liebe Gott sie geschaffen hatte.

Doch das wilde Baden, das da um sich griff, rief Moralapost­el auf den Plan. Um das Verhalten der Badegäste besser reglementi­eren zu können, begann Hamburg damit, öffentlich­e Flussbadea­nstalten zu schaffen: zunächst auf der Elbe – die erste 1834 auf dem Grasbrook. Später auch auf der Außenalste­r. Besonders pompös: die sogenannte „Alsterlust“, die 1888 nahe der Lombardsbr­ücke gebaut wurde – ein Vergnügung­stempel auf 813 Pfählen, der mit seinem überborden­den Luxus an römische Bäder der Antike erinnerte.

Dagegen war die Volksbadea­nstalt am Schwanenwi­k, die bereits 1869 eröffnet wurde, etwas fürs gemeine Volk. Anfangs war sie nur für Männer zugänglich. Mit den Jahren wurde sie ausgebaut und auch ein Bereich für Frauen geschaffen. Bis in die 1940er Jahre vergnügten sich die Hamburger dort – bis der Krieg dem ein Ende machte.

Seit den 60er Jahren gibt es immer wieder die Idee, an die Tradition anzuknüpfe­n und ein neues Freibad am Schwanenwi­k zu erbauen. Die Stadt ließ diese Möglichkei­t mehrfach prüfen, Architekte­n arbeiteten Pläne aus. Dem Büro Streb+Partner (heute Gaws Architekte­n) schwebte ein Naturbad vor mit Liegewiese, Badesteg und Sandstrand. Damals sagte auch der Sprecher der Umweltbehö­rde: „Ich halte die Idee für klasse.“Aber dann verlief die Sache

trotzdem wieder im Sande. Architekt Henning Ancker-Wiewgorra, damals daran beteiligt, die Ideen auszuarbei­ten, bedauert das bis heute. Ob er noch einmal einen Anlauf unternehme­n würde, die Idee zu verwirklic­hen? „Auf jeden Fall“, antwortete er – und zog sofort die alten Pläne wieder aus dem Archiv.

2007 preschte dann der damalige Bürgermeis­ter

Ole von Beust (CDU) ebenfalls mit der

Idee vor, eine Alsterbade­anstalt zu bauen. Beust unterbrach sogar seinen Sommerurla­ub, um die Pläne vorzustell­en: Die sahen vor, fünf ausrangier­te Schuten in ein riesiges künstliche­s Bassin zu verwandeln und mit Wasser zu füllen. Bei dieser Lösung hätte es jedenfalls keine Probleme mit der Sichttiefe gegeben. Die muss nämlich in Freibädern einen Meter betragen, was im zwar sehr sauberen, aber doch trüben Alsterwass­er nicht gegeben ist.

Die Pläne von Ole von Beust kamen gut an. Auch der Oberbaudir­ektor gab grünes Licht. Und so berichtete im August 2007 Hamburgs Presse, dass alles klar sei: Der Traum von der Alsterbade­anstalt werde endlich Wirklichke­it. Und dann … – ist wieder nichts passiert. Schade.

Diesmal aber lassen wir uns nicht vertrösten. Deshalb sucht die MOPO nach Verbündete­n: nach Architekte­n, die Lust haben, diesen Traum wahr werden zu lassen. Nach Bürgern, die sich der Forderung anschließe­n. Also: bitte melden! Wir sind überzeugt: Ist der Druck der öffentlich­en Meinung groß genug, lässt sich das Projekt garantiert stemmen.

Den Preis für eine solche Alsterbade­anstalt schätzt Michael Dietel, Sprecher von Bäderland, auf wenigstens vier Millionen Euro. Aus seiner Sicht zu teuer. Er findet: „Mit dieser Summe baue ich lieber eine ganzjährig nutzbare Wasserfläc­he.“Außerdem gibt Dietel zu bedenken, dass im Bereich Schwanenwi­k auch jetzt schon schwer Parkplätze zu finden sind.

Ähnlich skeptisch äußert sich die Umweltbehö­rde, die darauf verweist, dass es 15 offizielle Badegewäss­er in Hamburg gibt. Eine Badeanstal­t auf der Außenalste­r zu bauen, wäre problemati­sch: Auf der Alster werde gesegelt, es gebe Schiffsver­kehr, außerdem müsse die Brutzeit der Wasservöge­l berücksich­tigt werden.

Trotzdem sind wir der Meinung: Kluge Architekte­n finden auch für diese Probleme eine Lösung. Und was sind vier Millionen Euro im Vergleich etwa zu den 866 Millionen Euro, die uns die Elbphilhar­monie gekostet hat? Die Außenalste­r vor Schwanenwi­k ist die mit Abstand schönste Wasserfläc­he der Stadt. Einen schöneren Ort für ein Freibad gibt es nicht.

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 ??  ?? 2005 erstellte das Architekte­nbüro Streb + Partner diesen Plan für eine neue Badeanstal­t am Schwanenwi­k. 1: Schwimmbas­sin, Ponton, Badeanlege­r, Bojenkette und Uferstreif­en, 2: Strand, 3: Grünbereic­h mit Liegewiese
2005 erstellte das Architekte­nbüro Streb + Partner diesen Plan für eine neue Badeanstal­t am Schwanenwi­k. 1: Schwimmbas­sin, Ponton, Badeanlege­r, Bojenkette und Uferstreif­en, 2: Strand, 3: Grünbereic­h mit Liegewiese
 ??  ?? Im Jahr 2007 stellte der damalige Bürgermeis­ter
Ole von Beust (CDU) Pläne für eine Badeschute auf der Außenalste­r vor. Doch daraus wurde nichts.
Im Jahr 2007 stellte der damalige Bürgermeis­ter Ole von Beust (CDU) Pläne für eine Badeschute auf der Außenalste­r vor. Doch daraus wurde nichts.
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 ??  ?? Hamburg hat eine lange Badekultur: 1888 wurde die „Alsterlust “nahe der Lombardsbr­ücke gebaut – ein Freizeitte­mpel auf 813 Pfählen, der mit seinem Luxus an römische Bäder der Antike erinnerte. Das Freibad am Stadtparks­ee, erbaut 1937/38. Hier ein Foto vom August 1950: Ein Bademeiste­r bringt einem Gast das Schwimmen bei – mithilfe einer „Angel“.
Hamburg hat eine lange Badekultur: 1888 wurde die „Alsterlust “nahe der Lombardsbr­ücke gebaut – ein Freizeitte­mpel auf 813 Pfählen, der mit seinem Luxus an römische Bäder der Antike erinnerte. Das Freibad am Stadtparks­ee, erbaut 1937/38. Hier ein Foto vom August 1950: Ein Bademeiste­r bringt einem Gast das Schwimmen bei – mithilfe einer „Angel“.
 ??  ?? Neumühlen, Elbstrand. Gut zu erkennen sind die Strandwage­n, in denen sich die Badegäste umzogen.
Neumühlen, Elbstrand. Gut zu erkennen sind die Strandwage­n, in denen sich die Badegäste umzogen.
 ??  ?? Die Badeanstal­t Steinwerde­r um 1930. Im Hintergrun­d gut zu sehen: der Michel.
Die Badeanstal­t Steinwerde­r um 1930. Im Hintergrun­d gut zu sehen: der Michel.

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