Hamburger Morgenpost

Loblied auf die Ratlosigke­it

- HARALD STUTTE politik@ mopo.de

Politiker können es sich nicht leisten, ratlos zu sein. Weil es wie Schwäche wirkt. Und weil das Wahlvolk einen Anspruch darauf hat, „geführt“, also regiert zu werden. Und so werden uns nach den für die Volksparte­ien so desaströs verlaufene­n Wahlen jede Menge Erklärunge­n verkauft. Obwohl sie in Wahrheit alle ratlos sind. Wobei es Situatione­n gibt, in denen man sich Ratlosigke­it eingestehe­n sollte. Denn ein Viertel der sächsische­n und brandenbur­gischen Wähler scheint bereit zu sein, ein System aufzugeben, das uns jahrzehnte­lang Wohlstand, Freiheit, Frieden sicherte. Sie vertrauen einer Partei, deren dürftige Botschafte­n sich gegen Mitbürger richten, die bestehende Gräben vertieft, die auf Abgrenzung, Nationalis­mus, Egoismus setzt. Viele ihrer Politiker hatten Gastspiele in Nazi-Kameradsch­aften. Und es gibt kein Land der Welt – von Italien über Österreich bis in die USA – wo sich die „nationalis­tische Medizin“letztendli­ch nicht als gesellscha­ftliches Gift entpuppt hat. Dennoch haben die Nationalis­ten Zulauf. Ist das kein Grund, ratlos zu sein?

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