Der BruderMörder von Altona
Er war eine tickende Zeitbombe: Der 45-Jährige, der seinen Bruder erstach und seine Mutter schwer verletzte, ist seit Jahrzehnten kriminell
Er schreit und flucht. In der Hand hält er ein Messer. Polizisten überwältigen ihn. Vor dem Mehrfamilienhaus an der Isebekstraße wird der 45-Jährige in Handschellen in einen Streifenwagen verfrachtet. In der Wohnung seiner Mutter, im vierten Stock, liegt sein Bruder. Er ist tot, die Mutter lebensgefährlich verletzt. Beide mit Messerstichen niedergestreckt. Einen Tag später, am Dienstagmittag, schickt ihn ein Richter in U-Haft. Eine der Fragen, die es zu klären gilt: Ist der Verdächtige schuldunfähig?
Mit einem Messer ging der 45Jährige auf seine Mutter (68), anschließend auf seinen Bruder (44) los. Zunächst hieß es, dass der Angreifer „nur“seine Mutter, die immer noch in Lebensgefahr schwebt, umbringen wollte, der Bruder zu Hilfe kam und nur zufällig zum Todesopfer dieses Familiendramas wurde.
Nun scheint diese Theorie nicht mehr sicher. Möglich, dass er beide – Mutter und Bruder – in Tötungsabsicht angreifen, beide ermorden wollte. Entsprechende, eindeutige Sätze soll er nach MOPO-Informationen bei seiner Festnahme gegenüber Polizeibeamten gesagt haben.
Nachbarn hatten gegen 17.30 Uhr erste Schreie aus der Wohnung wahrgenommen und die Polizei gerufen. „Es ist unglaublich“, so eine Mieterin, die unerkannt bleiben möchte, zur MOPO. „Die Familie war immer höflich und zuvorkommend.“Ein anderer Nachbar habe öfter Pakete für die Mutter angenommen, sagt, sie habe immer ein „furchtbar nettes“Lächeln gehabt.
Die Brüder sollen zusammen in einer Wohnung in Niendorf gewohnt haben. Zumindest waren sie dort gemeldet. „Ob sie dort auch tatsächlich zusammen gewohnt haben, muss noch geklärt werden“, so ein Polizeisprecher. Die Mordkommission ermittelt in dem Fall.
Gestern um Punkt 15 wurde der 45-Jährige dem Haftrichter vorgeführt und anschließend ins Untersuchungsgefängnis überführt. Es ist nicht das erste Mal, dass der Mann in Konflikt mit der Justiz gerät.
Wie die MOPO weiß, wurde der Verdächtige bereits in jungen Jahren strafrechtlich auffällig, verbüßte Jugendarrest-Strafen. Im Erwachsenenalter kam er wegen etlicher Gewalt- und Drogendelikte mit dem Gesetz in Konflikt, darunter Drogenkonsum und -handel. Immer wieder wurde er zudem mit illegalen wie scharfen Schusswaffen erwischt, Pistolen, Revolvern.
Zuletzt stand er 2002 vor Gericht. Der Vorwurf damals: versuchter Totschlag in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung. Er wurde für nicht schuldfähig erklärt, das Gericht schickte ihn in ein psychiatrisches, geschlossenes Krankenhaus. Bis 2010 soll er dort behandelt worden sein. Danach kam er frei und stand unter Führungsaufsicht bis mindestens 2015.
Auch im aktuellen Fall prüfen die Polizei und die Staatsanwaltschaft, ob eine psychische Vorerkrankung ursächlich für den Gewaltausbruch gewesen sein könnte. Ein Gutachten, das erwartet wird, soll Klarheit bringen.
Es ist unglaublich. Die Familie war immer höflich und zuvorkommend. Eine Nachbarin