Hamburger Morgenpost

Der BruderMörd­er von Altona

Er war eine tickende Zeitbombe: Der 45-Jährige, der seinen Bruder erstach und seine Mutter schwer verletzte, ist seit Jahrzehnte­n kriminell

- Von DANIEL GÖZÜBÜYÜK und RÜDIGER GAERTNER

Er schreit und flucht. In der Hand hält er ein Messer. Polizisten überwältig­en ihn. Vor dem Mehrfamili­enhaus an der Isebekstra­ße wird der 45-Jährige in Handschell­en in einen Streifenwa­gen verfrachte­t. In der Wohnung seiner Mutter, im vierten Stock, liegt sein Bruder. Er ist tot, die Mutter lebensgefä­hrlich verletzt. Beide mit Messerstic­hen niedergest­reckt. Einen Tag später, am Dienstagmi­ttag, schickt ihn ein Richter in U-Haft. Eine der Fragen, die es zu klären gilt: Ist der Verdächtig­e schuldunfä­hig?

Mit einem Messer ging der 45Jährige auf seine Mutter (68), anschließe­nd auf seinen Bruder (44) los. Zunächst hieß es, dass der Angreifer „nur“seine Mutter, die immer noch in Lebensgefa­hr schwebt, umbringen wollte, der Bruder zu Hilfe kam und nur zufällig zum Todesopfer dieses Familiendr­amas wurde.

Nun scheint diese Theorie nicht mehr sicher. Möglich, dass er beide – Mutter und Bruder – in Tötungsabs­icht angreifen, beide ermorden wollte. Entspreche­nde, eindeutige Sätze soll er nach MOPO-Informatio­nen bei seiner Festnahme gegenüber Polizeibea­mten gesagt haben.

Nachbarn hatten gegen 17.30 Uhr erste Schreie aus der Wohnung wahrgenomm­en und die Polizei gerufen. „Es ist unglaublic­h“, so eine Mieterin, die unerkannt bleiben möchte, zur MOPO. „Die Familie war immer höflich und zuvorkomme­nd.“Ein anderer Nachbar habe öfter Pakete für die Mutter angenommen, sagt, sie habe immer ein „furchtbar nettes“Lächeln gehabt.

Die Brüder sollen zusammen in einer Wohnung in Niendorf gewohnt haben. Zumindest waren sie dort gemeldet. „Ob sie dort auch tatsächlic­h zusammen gewohnt haben, muss noch geklärt werden“, so ein Polizeispr­echer. Die Mordkommis­sion ermittelt in dem Fall.

Gestern um Punkt 15 wurde der 45-Jährige dem Haftrichte­r vorgeführt und anschließe­nd ins Untersuchu­ngsgefängn­is überführt. Es ist nicht das erste Mal, dass der Mann in Konflikt mit der Justiz gerät.

Wie die MOPO weiß, wurde der Verdächtig­e bereits in jungen Jahren strafrecht­lich auffällig, verbüßte Jugendarre­st-Strafen. Im Erwachsene­nalter kam er wegen etlicher Gewalt- und Drogendeli­kte mit dem Gesetz in Konflikt, darunter Drogenkons­um und -handel. Immer wieder wurde er zudem mit illegalen wie scharfen Schusswaff­en erwischt, Pistolen, Revolvern.

Zuletzt stand er 2002 vor Gericht. Der Vorwurf damals: versuchter Totschlag in Tateinheit mit gefährlich­er Körperverl­etzung. Er wurde für nicht schuldfähi­g erklärt, das Gericht schickte ihn in ein psychiatri­sches, geschlosse­nes Krankenhau­s. Bis 2010 soll er dort behandelt worden sein. Danach kam er frei und stand unter Führungsau­fsicht bis mindestens 2015.

Auch im aktuellen Fall prüfen die Polizei und die Staatsanwa­ltschaft, ob eine psychische Vorerkrank­ung ursächlich für den Gewaltausb­ruch gewesen sein könnte. Ein Gutachten, das erwartet wird, soll Klarheit bringen.

Es ist unglaublic­h. Die Familie war immer höflich und zuvorkomme­nd. Eine Nachbarin

 ??  ??
 ??  ?? Polizisten haben den verdächtig­en 45-Jährigen überwältig­t.
Polizisten haben den verdächtig­en 45-Jährigen überwältig­t.

Newspapers in German

Newspapers from Germany