So läuft’s im „autofreien“Ottensen
Seit Sonntag gehört die Straße den Passanten. Die MOPO hat sich vor Ort umgesehen
Sechs Monate lang dürfen Privatautos nicht auf den Straßen rund um den Spritzenplatz fahren. „Ottensen macht Platz“heißt das Projekt, das Sonntag mit einem großen Fest startete. Und? Wie läuft’s bisher? Die MOPO hat sich unter Anwohnern und Ladenbetreibern umgehört. Ziel des Experiments ist die Entschärfung der Verkehrssituation und die Schaffung eines Begegnungsortes auf den Straßen. Natürlich müssen auch die Geschäfte in Ottensen weiterlaufen. Von 23 bis 11 Uhr darf der Lieferverkehr deshalb in den autofreien Bereich fahren. Ein kurzes Be- und Entladen ist ebenfalls erlaubt. Personen mit Ausnahmegenehmigung und Taxen dürfen ganztägig die Straße befahren.
Als die MOPO an Tag drei des Experiments gegen 11.40 Uhr durch die Straßen um den Spritzenplatz läuft, sind die nicht ganz autofrei. Von den Fußgängern bekommen die anwesenden Lieferwagen und Pkw dafür auch mal eine rüde Handgeste gezeigt. Hannes Nöllenheidt ist Anwohner. Er hat eine Ausnahmeregelung für seinen Tiefgaragenstellplatz. „Mir wurde bereits allerlei Hass entgegengebracht, ich wurde mehrmals gefilmt und beschimpft“, sagt der 58-Jährige.
Viele Fußgänger bleiben auf den Gehwegen und nutzen den Platz auf der Straße nicht. Wie es scheint, müssen sie sich erst an ihre neue Freiheit gewöhnen. Diese Beobachtung hat auch Heiko Schröder (54), Inhaber vom Möbelgeschäft „Der Schaukelstuhl“, gemacht. „Aber das wird sich sicherlich noch ändern“, sagt er. Sein Umsatz habe sich seit der autofreien Zeit verbessert.
Anette Kaiser-Villnow (55), Inhaberin der Kaiser
Apotheke, bewertet die neue Situation anders: „Ich bekomme bis zu acht Mal am Tag Medikamente geliefert. Der Bote muss die jetzt kistenweise durch halb Ottensen schleppen.“Sie fühlt sich von der Politik im Stich gelassen und hätte sich im Vorfeld eine engere Absprache mit Anwohnern und Gewerbetreibenden gewünscht.
Geplant ist, dass die freien Straßen von den Anwohnern gestaltet werden. Sie sollen die Chance bekommen, den Raum mit kreativen Ideen und Initiativen zu beleben. Bisher sind die Ottensener damit wohl noch zurückhaltend. Daniela Scholl (52), Inhaberin von „Blumen Oestmann“sagt: „Ich finde es aber schade, dass die freien Flächen nur von Anwohnern gestaltet werden dürfen. Und da ist bisher nichts passiert. Es wirkt alles ein bisschen tot und verlassen.“Sie befürchtet, dass dies im Winter noch schwieriger wird. „Die Idee ist gut, die Umsetzung aber nicht optimal.“
In den nächsten Monaten wird sich zeigen, wie die Ottensener das Projekt annehmen und ob sich noch ein paar kreative Köpfe für die Gestaltung der autofreien Straßen finden.