So tickt der Anwalt von HSV-Star Jatta
Mit spektakulären Fällen wurde Thomas Bliwier bekannt
Er verteidigte einen jungen Mann aus Afghanistan, der seine Schwester erstochen hat, aber auch einen Millionär wie Alexander Falk oder ein Mitglied des Osmani-Clans, griff als einer der Nebenklage-Anwälte im NSU-Prozess die Rolle des Verfassungsschutzes scharf an: Thomas Bliwier (65) ist einer der renommiertesten Anwälte Deutschlands. Zuletzt stand der Hamburger dem HSV-Profi Bakery Jatta zur Seite.
Das Rampenlicht ist ihm nicht fremd, er tritt, wenn er es für erforderlich hält, auch bei Frank Plasberg auf und prangert Ermittlungspannen im NSU-Komplex an, aber Fußball, damit ist Thomas Bliwier bisher noch nicht in Erscheinung getreten. Marathon ist er früher gelaufen, und ja, die Bundesliga interessiert ihn schon: „Aber Fan eines Vereins, das wäre zu viel gesagt.“Trotzdem passt der Fall Jatta besser zu ihm, als es auf den ersten Blick den Anschein hat.
Denn: Was Jatta widerfahren ist, war nicht gerecht. Da wurde ein Mensch mit der unbewiesenen Behauptungen, er habe bei seiner Identität getäuscht, durch ein einzelnes Medium an den Pranger gestellt: „Es ging darum, ein rechtstaatliches Verfahren sicherzustellen“, sagt Thomas Bliwier. Nüchtern, wie es seine Art ist. Großes Auftrumpfen ist auch nach einem höchst erfolgreichen Einsatz wie im Fall Jatta nicht zu erwarten. Dem Rechtsstaat wurde Genüge getan, nur darum ging es.
Was nicht bedeutet, dass sich hinter der stets makellos eleganten Erscheinung kein kämpferisches Naturell verbirgt: „Strafverteidigung ist Kampf“, sagt er, „der Kampf ums Recht.“Bliwier, vom Auftritt her Hanseat durch und durch, wurde 1954 in Goslar geboren. Die Mutter Schneiderin, der Vater betrieb ein Geschäft für Jagdbedarf. Als er sechs war, zog die Familie nach Hamburg. Bliwier wuchs in Osdorf auf, ging in Blankenese zur Schule, wollte zunächst Lehrer werden – bis er sich auf einer Demo für mehr Freizeitmöglichkeiten für Jugendliche eine Strafanzeige wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte einfing.
Das Verfahren endete zwar mit einem Freispruch, aber der junge Mann wechselte das Studienfach: Jura. „Von Anfang an mit dem Ziel, Strafverteidiger zu werden“, wie Bliwier sagt.
Der Mann, der im Gerichtssaal stets beherrscht auftritt, kann auch richtig sauer werden, etwa wenn er über das spricht, was sich im Fall Jatta in den Kommentarspalten der Sozialen Medien abgespielt hat: „Das ist rassistische Propaganda, das macht mir Sorge, diese Vorverurteilungen, diese Ressentiments. Und wie die AfD das für sich nutzt, das ist für mich Motivation.“
Er sei ein politischer Mensch, erklärt Bliwier. „Wäre ich das nicht, könnte ich mich nicht einsetzen für Recht und Gesetz, gegen die Verkürzung von Beschuldigtenrechte und gegen die Rufe nach schnellem Prozess.“
Bliwier hat im Jahr 2008
Morsals Bruder vertreten, der seine kleine Schwester ermordet hat, weil sie von einem westlichen Lebensstil träumte. Er kämpfte damals (vergeblich) darum, dass sein Mandant als vermindert schuldfähig eingestuft wird. Er verteidigte den InternetMillionär Alexander Falk in dessen jahrelangem Mammutprozess und vor vielen Jahren ein Mitglied des berüchtigten Osmani-Clans, das beschuldigt wurde, über Strohmänner eine kleine Volksbank in den Ruin getrieben zu haben.
Ausnahmefälle. Wirtschaftskriminalität landet selten im grellen Licht der Öffentlichkeit, ein versierter Wirtschaftsanwalt lässt es für seine Mandanten am besten gar nicht erst zur Hauptverhandlung kommen.
Die Nebenklage ist für den leidenschaftlichen Strafverteidiger die Ausnahme, aber beim NSU-Prozess war es keine Frage. Zusammen mit seinen Kanzleikollegen Doris Dierbach und Alexander Kienzle vertrat Bliwier das letzte NSU-Opfer. Halit Yozgat wurde von den Nazi-Terroristen Mundlos und Böhnhardt in einem Internet-Café in Kassel ermordet, während sich dort ein Verfassungsschützer aufhielt. Bliwier warf dem hessischen Verfassungsschutz öffentlich vor, er habe die Ermittlungen der Kripo „massiv behindert“. Akten, die das beweisen könnten, wurden vom Verfassungsschutz für 120 Jahre gesperrt – für jemanden mit halbwegs ausgeprägtem Gerechtigkeitssinn kaum zu ertragen.
Gibt es auch Straftäter, die er nicht verteidigen würde? Bliwiers Antwort kommt schnell: „Nazis!“Und dann der Nachtrag, gewohnt besonnen: „Natürlich haben im Rechtsstaat auch Nazis ein Recht auf Verteidigung. Aber ich muss es ja nicht machen.“
Das ist rassistische Propaganda, das macht mir Sorge, diese Vorverurteilungen. Thomas Bliwier über den Fall Jatta