Hamburger Morgenpost

So tickt der Anwalt von HSV-Star Jatta

Mit spektakulä­ren Fällen wurde Thomas Bliwier bekannt

- STEPHANIE LAZPRECHT s.lamprecht@mopo.de

Er verteidigt­e einen jungen Mann aus Afghanista­n, der seine Schwester erstochen hat, aber auch einen Millionär wie Alexander Falk oder ein Mitglied des Osmani-Clans, griff als einer der Nebenklage-Anwälte im NSU-Prozess die Rolle des Verfassung­sschutzes scharf an: Thomas Bliwier (65) ist einer der renommiert­esten Anwälte Deutschlan­ds. Zuletzt stand der Hamburger dem HSV-Profi Bakery Jatta zur Seite.

Das Rampenlich­t ist ihm nicht fremd, er tritt, wenn er es für erforderli­ch hält, auch bei Frank Plasberg auf und prangert Ermittlung­spannen im NSU-Komplex an, aber Fußball, damit ist Thomas Bliwier bisher noch nicht in Erscheinun­g getreten. Marathon ist er früher gelaufen, und ja, die Bundesliga interessie­rt ihn schon: „Aber Fan eines Vereins, das wäre zu viel gesagt.“Trotzdem passt der Fall Jatta besser zu ihm, als es auf den ersten Blick den Anschein hat.

Denn: Was Jatta widerfahre­n ist, war nicht gerecht. Da wurde ein Mensch mit der unbewiesen­en Behauptung­en, er habe bei seiner Identität getäuscht, durch ein einzelnes Medium an den Pranger gestellt: „Es ging darum, ein rechtstaat­liches Verfahren sicherzust­ellen“, sagt Thomas Bliwier. Nüchtern, wie es seine Art ist. Großes Auftrumpfe­n ist auch nach einem höchst erfolgreic­hen Einsatz wie im Fall Jatta nicht zu erwarten. Dem Rechtsstaa­t wurde Genüge getan, nur darum ging es.

Was nicht bedeutet, dass sich hinter der stets makellos eleganten Erscheinun­g kein kämpferisc­hes Naturell verbirgt: „Strafverte­idigung ist Kampf“, sagt er, „der Kampf ums Recht.“Bliwier, vom Auftritt her Hanseat durch und durch, wurde 1954 in Goslar geboren. Die Mutter Schneideri­n, der Vater betrieb ein Geschäft für Jagdbedarf. Als er sechs war, zog die Familie nach Hamburg. Bliwier wuchs in Osdorf auf, ging in Blankenese zur Schule, wollte zunächst Lehrer werden – bis er sich auf einer Demo für mehr Freizeitmö­glichkeite­n für Jugendlich­e eine Strafanzei­ge wegen Widerstand­s gegen Vollstreck­ungsbeamte einfing.

Das Verfahren endete zwar mit einem Freispruch, aber der junge Mann wechselte das Studienfac­h: Jura. „Von Anfang an mit dem Ziel, Strafverte­idiger zu werden“, wie Bliwier sagt.

Der Mann, der im Gerichtssa­al stets beherrscht auftritt, kann auch richtig sauer werden, etwa wenn er über das spricht, was sich im Fall Jatta in den Kommentars­palten der Sozialen Medien abgespielt hat: „Das ist rassistisc­he Propaganda, das macht mir Sorge, diese Vorverurte­ilungen, diese Ressentime­nts. Und wie die AfD das für sich nutzt, das ist für mich Motivation.“

Er sei ein politische­r Mensch, erklärt Bliwier. „Wäre ich das nicht, könnte ich mich nicht einsetzen für Recht und Gesetz, gegen die Verkürzung von Beschuldig­tenrechte und gegen die Rufe nach schnellem Prozess.“

Bliwier hat im Jahr 2008

Morsals Bruder vertreten, der seine kleine Schwester ermordet hat, weil sie von einem westlichen Lebensstil träumte. Er kämpfte damals (vergeblich) darum, dass sein Mandant als vermindert schuldfähi­g eingestuft wird. Er verteidigt­e den InternetMi­llionär Alexander Falk in dessen jahrelange­m Mammutproz­ess und vor vielen Jahren ein Mitglied des berüchtigt­en Osmani-Clans, das beschuldig­t wurde, über Strohmänne­r eine kleine Volksbank in den Ruin getrieben zu haben.

Ausnahmefä­lle. Wirtschaft­skriminali­tät landet selten im grellen Licht der Öffentlich­keit, ein versierter Wirtschaft­sanwalt lässt es für seine Mandanten am besten gar nicht erst zur Hauptverha­ndlung kommen.

Die Nebenklage ist für den leidenscha­ftlichen Strafverte­idiger die Ausnahme, aber beim NSU-Prozess war es keine Frage. Zusammen mit seinen Kanzleikol­legen Doris Dierbach und Alexander Kienzle vertrat Bliwier das letzte NSU-Opfer. Halit Yozgat wurde von den Nazi-Terroriste­n Mundlos und Böhnhardt in einem Internet-Café in Kassel ermordet, während sich dort ein Verfassung­sschützer aufhielt. Bliwier warf dem hessischen Verfassung­sschutz öffentlich vor, er habe die Ermittlung­en der Kripo „massiv behindert“. Akten, die das beweisen könnten, wurden vom Verfassung­sschutz für 120 Jahre gesperrt – für jemanden mit halbwegs ausgeprägt­em Gerechtigk­eitssinn kaum zu ertragen.

Gibt es auch Straftäter, die er nicht verteidige­n würde? Bliwiers Antwort kommt schnell: „Nazis!“Und dann der Nachtrag, gewohnt besonnen: „Natürlich haben im Rechtsstaa­t auch Nazis ein Recht auf Verteidigu­ng. Aber ich muss es ja nicht machen.“

Das ist rassistisc­he Propaganda, das macht mir Sorge, diese Vorverurte­ilungen. Thomas Bliwier über den Fall Jatta

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Januar 2009: Bliwier mit Ahmad-Sobair O., der seine Schwester Zorsal ermordet hatte. Der Strafverte­idiger khmpfte darum, dass sein Zandant als vermindert schuldfhhi­g eingestuft wird.
 ??  ?? April 2005: Internet-Unternehme­r Alexander Falk und seine Verteidige­r Gerhard Strate (l.) und Thomas Bliwier freuen sich über die Haftversch­onung.
April 2005: Internet-Unternehme­r Alexander Falk und seine Verteidige­r Gerhard Strate (l.) und Thomas Bliwier freuen sich über die Haftversch­onung.
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HSV-Star Bakary Jatta (2.v. l.) mit seinem Anwalt Thomas Bliwier (2. v. r.)

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