„Ich wäre gern der Jürgen Klopp des deutschen Rock“
Thees Uhlmann ist mit neuem Album zurück – und träumt sich doch an die Anfield Road
Er hat „Fünf Jahre nicht gesungen“, wie seine erste Single verrät – das hört man Thees Uhlmann auf seinem dritten Solo-Album aber kein Stück an. Der 45-Jährige rockt auf „Junkies und Scientologen“wie eh und je. Im Interview erzählt er, warum er so lange weg war.
MOPOP: Auf der ersten Single singen Sie „Das Leben ist kein Highway / es ist die B73.“Das klingt ernüchternd – nach angezogener Handbremse?
Thees Uhlmann: Nein, danach soll es nicht klingen. Eher nach totaler Normalität. Dieses „Lebe jeden Tag, als wäre es dein letzter!“, diese Selbstoptimierung, dieses „Geh ins Gym! Besuche meinen Businesskurs! Das Leben ist außergewöhnlich!“Nee! Das Leben ist total normal und es ist auch gut so, dass es so ist. Man geht zur Arbeit. Man kriegt vielleicht zwei Kinder, dann wird man mal arbeitslos, dann geht es wieder los und abends kommen die „Simpsons“und die Frau sagt: „Weißt du was? Ich bin gerne mit dir zusammen.“
In einem anderen Stück singen Sie: „Ich wäre gern der Jürgen Klopp des deutschen Rock“. Warum das? Wenn es keiner macht, mache ich es. Jürgen Klopp ist für mich quasi unser Außenminister für England. In der Anfield Road sitzen wahrscheinlich ein Opa, sein Sohn und sein Enkel zusammen, und der Opa sagt zum Enkel: „Ist das toll. Früher musste man vor Deutschen immer Angst haben, und jetzt gibt es Klopp!“Ich finde das ein wichtiges politisches Symbol und darüber wollte ich singen. Der Weg zu „ Junkies und Scientologen“war schwierig. Als die Platte schon fast fertig war, haben Sie alles weggeschmissen und noch mal von vorne angefangen. Warum?
Die Platte war wirklich zu 70 bis 80 Prozent fertig, und dann gefiel mir das nicht. Ich habe ich einfach keinen Kontakt zu meiner Kunst gespürt, ich fand das blöd. Ich fand mich blöd.
Blöde Texte …
Ich habe darüber geschrieben, dass ich mich in der Großstadt nicht mehr wohlfühle und ob wir nicht alle auf einer Reise irgendwohin sind. Kann man den besten Songtext der Welt darüber schrieben, meine Texte waren halt leider einfach alle kacke. Das war so Pennälerlyrik, so mit dem Kopf in den Wolken, so weinerlich. Und dann muss ich auch sagen, dass mich die Triangel der frustrierten Idiotie zwischen Brexit, Trump und AfD so dermaßen ausgeknockt hat. Ich weiß einfach noch, dass ich meiner damals achtjährigen Tochter erklären muss, wieso so ein Typ wie Trump zum Präsidenten gewählt wird.
Politische Protestlieder machen Sie ja nicht. Aber im Titelstück bekommen einige Zeitgenossen ihr Fett weg, etwa Quad-Fahrer. Wenn ich Quad-Fahrer sehe, könnte ich ausflippen! Es gibt keinen Grund, in der Stadt Quad zu fahren, außer dem persönlichen Vergnügen. Der Song heißt aber nicht „Nur für die Geilen!“Ich habe mich gefragt: Was bringt uns zusammen? Diese Leute, die total volltätowiert sind, das ist für mich verrückt – aber dieser Volltätowierte wird ja auch jemanden lieben. Der ist maximal entfernt von der Musik, die ich mache, aber vielleicht hört der das mal zufällig und denkt sich: „Rockmusik? Och, interessant.“
DAS INTERVIEW FÜHRTE SIMONE DECKNER
➤ Konzerte Große Freiheit: 27.9., 20 Uhr (ausverkauft); 17.12., 41,75 Euro
➤ Termin: 19.9., ab 23.30 Uhr, Plattenverkauf vor Grand Hotel van Cleef, Feldstr. 36, Freibier, solange der Vorrat reicht