Der sympathische Russe
Mit Hilfe des Renault-Konzerns startet Lada auch in Deutschland wieder durch. Wie schlägt sich der Vesta SW Cross im Alltag?
Wer einen preisgünstigen Neuwagen sucht, für den bleibt oft nur das Kleinwagen-Segment. Eine Ausnahme ist Dacía, die sich mit dem Modell Duster erfolgreich im SUV-Bereich eingenistet haben. Bisher keine große Beachtung fand die russische Marke Lada auf dem deutschen Markt – allerdings nicht ganz zu Recht, wie die Testfahrt mit dem Modell Vesta SW Cross belegt.
„Ach, so sieht heute ein Lada aus“, wundert sich der brandenburgische TrabiFahrer, als er den parkenden Testwagen bestaunt, „ich habe selbst mal einen besessen.“Die Fiat-Lizenzbauten, mit denen der russische Hersteller AwtoWAS einst die DDR-Bürger erfreute, hatten allerdings so gar nichts gemein mit dem, was Lada heute bietet. Die wohlproportionierte Hülle des Fünftürers geht auf den Designer Steve Mattin zurück, der einst für Volvo den Zeichenstift schwang.
Auffällig ist das Modell Vesta Cross nicht nur, weil man es selten hierzulande sieht, sondern auch wegen der charakteristischen Sicken, die ein „X“in der Flanke zu bilden scheinen. Die große Bodenfreiheit von fast 20 Zentimetern sowie die schwarze Beplankung an Schwellern und Radhäusern lassen zwar einen Hauch von SUV aufkommen, tatsächlich ist der Wagen aber ein unspektakulärer Fronttriebler.
Der Innenraum erfüllt hingegen die Erwartungen, die das Publikum an eine sogenannte Billigmarke hat. Ausgedehnte Hartplastik-Landschaften künden nicht nur vom unbedingten Sparwillen der Produzenten, sondern zuweilen auch von geschmacklicher Desorientierung. Was dem Innenausbau an Charme fehlt, macht eine sehr ordentliche Ausstattung wieder wett.
Die Mittelarmlehne hat ein nicht einsehbares Staufach, es gibt einen Aux- und zwei USB-Anschlüsse (einer hinten), elektrische Fensterheber (allerdings ohne Automatik-Funktion), dazu hinter dem Schalthebel platzierte Cupholder sowie eine dreistufige Sitzheizung. Mit der Rückfahrkamera und der Frontscheibenheizung nimmt der Vesta Cross in seinem Preissegment zweifellos eine Sonderstellung ein. Vor fahrdynamischen Überraschungen ist man im Vesta Cross bestens gefeit. Dazu fehlt es dem frei atmenden 1,6-Liter-Motor einfach an Schmalz. Seine 102 PS erreicht er erst bei 5800 Umdrehungen. Entsprechend mühsam fühlt sich der Beschleunigungsvorgang an und nach zwölf Sekunden ist die 100-km/h-Marke erreicht.
Eine andere verfehlte der Testwagen: Statt der herstellerseitig mitgeteilten Höchstgeschwindigkeit von 180 km/h mochte das Auto mehr als 163 Kilometer pro Stunde (GPS-Messung) nicht hergeben.
Die Empfehlung für die nächste Modellgeneration kann deshalb nur lauten: Ir
gendwo einen kleinen, knackigen Turbomotor dazukaufen, der günstigenfalls noch mit einem SechsgangGetriebe kombiniert ist. Derzeit gibt es nur fünf Übersetzungen. Ein moderner Turbo würde dann auch ein spürbares Drehmoment mitbringen. Bis dahin muss man mit 148 Newtonmetern auskommen, die mehr als 4000 Umdrehungen brauchen, um wirksam zu werden. Einen übermäßigen Durst kann man dem Vierzylinder aber nicht nachsagen. Im 14-Tage-Schnitt kam er mit 7,4 Litern/100 km hin.
Aber in der gefahrenen „Luxus“-Version sind zum Beispiel Bergan- und –abfahrhilfe, Schaltempfehlung, Rückfahrkamera, Navigationssystem, Isofix-Kindersitzbefestigungen, Leichtmetallfelgen, Licht- und Regensensor, Wegfahrsperre, Soundsystem, BluetoothFreisprecheinrichtung und diverse andere Nützlichkeiten enthalten. Das alles für knapp 18 000 Euro.
Trotz aller positiven Merkmale, die Lada vor allem im Preis-Wettbewerb in die Waagschale werfen kann, ist die Zukunft der Marke in Deutschland mit einigen Fragezeichen versehen. Der Abverkauf der vorrätigen Fahrzeuge wird voraussichtlich bis Mitte 2020 andauern. Durch entsprechende Verträge seien Wartung, Service, Kundendienst und Teileversorgung langfristig abgesichert, sagt der Sprecher des Importeurs, Bernd Haack. Fazit: Warum die Deutschen noch immer mit der russischen Marke fremdeln, ist nicht recht einzusehen. Vielleicht hat der Renaultder 25 Prozent an Lada hält, auch kein besonders ausgeprägtes Interesse daran, die Marke zu pushen, weil es zulasten von Dacia gehen könnte. Jedenfalls bietet der Vesta SW Cross viel Auto fürs Geld – so viel, dass man ihm kleinere Schwächen gern verzeiht.
Das Auto wurde zur Verfügung gestellt von Lada. Vesta SW Cros
L x B x H (in m): 4,42 x 1,79 x 1,54, Radstand (m): 2,64, Motor: R4, 1596 ccm, Leistung: 75 kW/102 PS bei 5800 U/min, Max. Drehmoment: 148 Nm bei 4200 U/min, Höchstgeschwindigkeit: 180 km/h, 0 auf 100 km/h: 12,8 s, ECE-Durchschnittsverbrauch: 6,9 l, Testverbrauch: 7,4 l, CO -Emissionen: 157 g/km, Effizienzklasse: E (Euro 6b), Leergewicht: mind. 1330 kg, Kofferraumvolumen: 480–825 l (Fensterunterkante), Max. Anhängelast: 900 kg, Bodenfreiheit: 196 mm, Preis: 17 990 Euro