„Vielen von uns Fischern droht das Aus“
Mit großer Sorge sieht Ralph Krehl der neuen EU-Fangquote entgegen
Stahlbrode am Strelasund, in Sichtweite der Insel Rügen, war mal ein Fischerdorf. Zu DDR-Zeiten hat die Fischereigenossenschaft mit Hering richtig Geld verdient, wie sich Fischer Ralph Krehl erinnert. „1200 Mark gab es für eine Tonne Hering“, sagt er. 1800 Tonnen wurden pro Jahr gefangen. Dazu noch andere Fische. Wie viele Familien die Fischerei im Ort ernährte, weiß der 53-Jährige nicht mehr genau. Mehr als 20 Mann waren sie wohl in der Genossenschaft. Im Vorjahr noch neun, Anfang 2019 noch drei. Jetzt ist Krehl allein. Im Februar löste sich die Genossenschaft auf.
Krehl kaufte von seinen früheren Kollegen, die größtenteils in Rente gingen, was noch zu gebrauchen war. Er kannte für sich keine Alternative: „Ich habe noch zehn Jahre zu dienen“, sagt er und ergänzt: „Vater, Opa, Urgroßvater – wir waren immer Fischer. Ich hatte schon mit 13 oder 14 ein kleines Boot und habe gefischt.“
Mit den Fischkuttern kaufte Krehl auch die Fangquoten. In diesem Jahr durfte er noch 23 Tonnen Hering fangen. Im kommenden Jahr werden es vielleicht noch sechs oder sieben Tonnen sein, wenn die EU-Fischereiminister am kommenden Dienstag die von der EUKommission vorgeschlagenen Quoten beschließen sollten.
Der Heringsfang in der westlichen Ostsee soll um 71 Prozent reduziert werden. Beim östlichen Dorsch soll es einen Fangstopp geben, beim westlichen eine Senkung der Fangmenge um 68 Prozent. Der Deutsche Fischerei-Verband befürchtet, dass viele Betriebe an der Ostseeküste diese extremen Kürzungen nicht verkraften.
An Schleswig-Holsteins Ostseeküste gibt es noch etwa 60 Fischereibetriebe, in Mecklenburg-Vorpommern knapp 230. „Drei Viertel der Fischer leben von den Erträ
gen ihrer Stellnetze, der Rest fährt mit Schleppnetzen auf See“, sagt Benjamin Schmöde, stellvertretender Vorsitzender des Landesfischereiverbands Schleswig-Holstein. „Davon wird der eine oder andere die Pläne der EU-Kommission wirtschaftlich nicht aushalten und aufgeben“, sagt Schmöde.
Fischer Ralph Krehl will die wenigen Tonnen Hering, die er im kommenden Jahr noch fischen darf, selbst verkaufen. „Wenn ich den Laden nicht hätte, müsste ich aufgeben“, sagt er. Nur durch die Direktvermarktung kann er von seiner Arbeit leben. Beim Großhandel bekomme er gerade mal 45 Cent pro Kilo Hering, so rechnet er vor. Im Laden, je nachdem, wie er die Fische verarbeitet, sind es 2,50 bis 3,00 Euro.
Dafür hat der 53-Jährige 16Stunden-Tage. Um 5 Uhr bereitet er die Räucheröfen vor. Für acht Stunden kommt ein Verkäufer, sein einziger Angestellter. Krehl fährt am Vormittag raus zum Fischen. Auf dem Rückweg beginnt er schon mit dem Schlachten. Im Laden richtet er den Fang für die Auslage her. Zwischendurch nach Hause zur pflegebedürftigen Mutter. Am Nachmittag steht Krehl selbst im Laden. Und am Abend wartet Bürokram auf ihn. So geht es Tag für Tag.
Der Fischer Gunnar GerthHansen aus Burgstaaken von der Insel Fehmarn rechnet ebenfalls mit „gravierenden Auswirkungen“der geplanten Fangquoten. „Ich sehe mich als Traditionsfischer“, sagt der 55-Jährige. „Ich habe Bestände garantiert nie überfischt.“Seit 1980 fischt er mit seinem Kutter.
Der Fischwirtschaftsmeister hat sich bereits vor mehr als 15 Jahren ein zweites Standbein im Tourismus geschaffen. Während er von November bis April auf Hering-, Dorsch- und Plattfischfang geht, fährt er in den Sommermonaten mit seinem 15 Meter langen Kutter „Tümmler“mit Urlaubern zum Schauangeln. „Ich kann von beidem alleine nicht leben“, sagt Gerth-Hansen.
Nach dann 40 Jahren auf Fischfang will er ab dem kommenden Jahr etwas ruhiger treten, seinen Betrieb an den Mitarbeiter übergeben und nur noch im Nebenerwerb mit einem kleinen Boot zum Fischen rausfahren. „Das hat auch mit der gesamtem Entwicklung zu tun“, sagt er. Seine Kollegen und er beobachteten bereits seit fünf Jahren, dass die Fischbestände in der westlichen Ostsee steigen. „Aber auf uns Fischer wird einfach nicht gehört.“