Chefarzt warnt vor Facebook & Co.
Schönheits-Chirurg: „Influencer im Internet sind schlechte Vorbilder.“Immer öfter lehnt er OPs ab: „Weigere mich, aus Menschen Karikaturen zu machen“
Galten Schönheits-OPs vor nicht allzu langer Zeit als Tabuthema, sind sie heute für manche ein schnelles Konsumgut – gleichzusetzen mit einer neuen Bluse aus dem Modediscounter. Angetrieben von Vorbildern, die im Internet ihre Fotos per Bearbeitungs-Programm auf Perfektion trimmen, werden die Wünsche der zusehends jüngeren Kundschaft immer übertriebener. Reales Leben kontra Photoshop – ein Trend, mit dem ich mich als Arzt in der Kosmed-Klinik ständig konfrontiert sehe.
Die Meinungsbildung läuft längst nicht mehr über die „Bravo“, das Internet ist das Medium der Kids und Teenies. Insbesondere in Sachen Schönheit sind Instagram, YouTube, Facebook und Co. der Taktgeber unserer Zeit. Und Influencer sind die Beauty-Idole der jungen Generationen, selbst Erwachsene lassen sich von ihnen in ihren Wünschen und Wahrnehmungen beeinflussen. Eine Entwicklung, mit deren Folgen ich und meine Kollegen in unserer täglichen Praxis-Arbeit zu tun, oft sogar zu kämpfen haben. Wie häufig sage ich zu Patienten: „Nein, das wird bei Ihnen zu unnatürlich aussehen.“Die Menschen sind oft nicht in der Lage zu abstrahieren, welche Fotos ihrer Vorbilder durch Bildbearbeitungs-Apps perfektioniert wurden. In den sozialen Medien sehen inzwischen fast alle so makellos aus, dass man direkt an sich zweifeln muss, wenn man in den Spiegel schaut.
Instagram und Co. sorgen für Komplexe und die Fragen: Warum sehe ich nicht so aus? Was kann ich verändern? Dieses Vergleichen mit unrealistischen Vorbildern führt zu immer abstruseren Wünschen. Denn: Fältchen, schmale Lippen, große Poren und Pickelchen werden fürs Internet per Photoshop wegretuschiert. Im wahren Leben soll das der Beauty-Doc richten.
Klar doch, wir Ärzte der ästhetischen Medizin können das Aussehen optimieren: Meine Kollegen und ich entfernen Schlupflider, führen Haartransplantationen durch, füllen Augenbrauen und Lücken im Bart auf. Falten lassen sich unterspritzen oder mit Botox behandeln. Wir können Brüste vergrößern, verkleinern, straffen, Fett mit unterschiedlichen Methoden wegbekommen und noch viel mehr.
Aber ich sage auch: Alles, was wir tun, ist ein Eingriff. Und wir sind keine App, die Lippen zum Selfie-Schmollmund im SchlauchbootFormat aufpumpt. Die Vorstellungen, mit denen gerade jüngere Menschen zu uns in die Kosmed-Klinik – ebenso wie zu Kollegen in anderen Kliniken – kommen, sind bisweilen absurd. Manchmal kriege ich auf dem Handy Fotos von Influencerinnen gezeigt, die für mein
ästhetisches Empfinden an Comic-Figuren erinnern. Da scheint nicht nur vom Po bis zur Stirn alles im Übermaß operiert, sondern zusätzlich auch am Foto bearbeitet zu sein – genau so wollen die Patientinnen in spe dann aussehen. Der Trend geht weg von der Natürlichkeit, hin zur unproportionalen Barbie-Figur. Mehr Po, mehr Busen, mehr Augenbraue, eine möglichst große Lücke zwischen den Oberschenkeln … Die Künstlichkeit wird wie eine Trophäe gezeigt, gesundheitliche Risiken oft mit einem erschreckend lockeren Schulterzucken abgetan.
So möchten jüngere Frauen wieder Brüste haben, bei denen man sieht, dass sie mit Silikon aufgepolstert wurden. Ähnlich wie in den 90er Jahren, als Pamela Anderson mit ihrer künstlichen Oberweite, die an zwei halbe Medizinbälle erinnerte, zur erotischen Stilikone
wurde. Irgendwann ebbte diese Mode ab – und wer sich leichtfertig unters Messer gelegt hatte, musste die Konsequenzen tragen. Nicht wenige ließen sich ihre Implantate gegen natürlichere Modelle austauschen.
Nicht, dass man mich falsch versteht: Als Chefarzt einer der führenden Schönheits kliniken bin ich nicht generell gegen ästhetische Medizin, wäre ja auch merkwürdig. Aber ich sehe, wie das Internet gerade bei jungen Menschen für Komplexe sorgt. „Warum kann ich nicht so glatte Haut haben wie die Frau hier im S ch min k-Tutorial?“,w er deich häufig gefragt. Eigen wahrnehmungs störungen werden durch schlechte Vorbilder verstärkt, nicht selten führt es in der Folge in eine Depression.
Es kommen 18-Jährige zu mir in die Klinik, die sich die erste Botox-Dosis wünschen – obwohl sie wunderbar glatte Gesichter haben. Natürlich frage ich, warum sie eine solche Injektion wollen. Die Antwort: als Vorsorgemaßnahme, weil sie Angst vor Falten haben.
Der Druck, makellos auszusehen, ist enorm. Was früher die neue Jeanshose war, ist heute der nächste Beauty-Eingriff. Der Umgang mit dem Körper wird zum Konsumfaktor und manche denken, alles sei möglich. Aber es gibt Grenzen. Rippen entfernen lassen, um eine schmalere Taille zu haben? Nicht jede Operation, die Promis vornehmen lassen und im Internet feiern, ist feierlich.
Hier sind wir Mediziner mit klarer Haltung gefordert: Immer öfter sage ich nein. Manchmal, weil es einfach nicht möglich ist, den Wünschen nachzukommen, oft aber auch, weil ich mich weigere, aus Menschen Karikaturen zu machen.