Simply the Best! Mit Ehrgeiz, Sex-Appeal und Reibeisenstimme legte sie eine Wahnsinns-Karriere hin
HAMBURG - Vielleicht kommt es nicht von ungefähr, dass Tina Turner sich auf der Bühne geschmeidig wie eine Raubkatze bewegte, denn Katzen haben bekanntlich sieben Leben. Und davon hat Rock-Röhre Tina Turner schon einige ausgereizt. Selbstmordversuch, Schlaganfall, Darmkrebs, Nierenversagen... Dass sie heute ihren 80. Geburtstag feiern kann, hat sie der großen Liebe ihres Lebens zu verdanken: Erwin Bach (62) spendete ihr vor zwei Jahren eine Niere.
Anfang November feierte das „Tina Turner“-Musical in New York Premiere. Und der Star des Abends war nicht etwa die Darstellerin, sondern Tina Turner höchstselbst. Statt Löwenmähne trägt sie heute einen eleganten Pagenschnitt, statt Mini und Ledertop ein hochgeschlossenes Paillettenkleid. Und sie hakt sich lieber beim Ehemann ein, als über die Bühne zu wirbeln. Aber dieses Lachen, diese Power, wenn sich die Scheinwerfer auf sie richten. Auch mit 80 Jahren ist Tina Turner immer noch „Simply the Best!“
Kein Wunder, denn Anna Mae Bullock, Schwesternschülerin aus dem Dorf Nutbush, wollte nichts anderes mehr, als auf der Bühne zu stehen, nachdem ihr die „Kings of Rhythm“in der Pause ein Mikro gereicht hatten. Fortan lebte das kleine Mädchen aus Tennessee Rock ’n’ Roll, wurde schwanger vom Saxofonisten der Band, bekam mit 18 Jahren ihr erstes Kind, zog jedoch zum charismatischen Leadsänger: Ike Turner. Er nannte sie Tina (nach „Sheena, die Königin des Dschungels“), steckte sie in sexy Leder und ließ den Wirbelsturm auf Stöckelschuhen über die Bühne fegen.
Eine Erfolgsstory? Zumindest, was das Showbiz anging. Doch wenn die Scheinwerfer verloschen, zeigte Ike sein wahres Gesicht. Der Mann, der es nicht ertragen konnte, plötzlich im Schatten seiner Frau zu stehen, wurde immer mehr von Alkohol und Kokain abhängig, schlug sie grün und blau. Aber die Wildkatze trat sogar mit gebrochenem Kiefer auf, bis ihr Wille gebrochen war. 1968 schluckte sie 50 Valiumtabletten.
Der Herr rettete die ehemalige Gospelchor-Sängerin, sie kletterte 1973 mit „Nutbush City Limits“auf den Rock-Olymp, trennte sich von Ike, tourte allein durch die Weltgeschichte. Doch Ende der 70er blieb der Erfolg aus. Tina jobbte sogar als Haushaltshilfe, um sich und ihre Söhne über Wasser zu halten.
1984 das furiose Comeback mit dem Album „Private Dancer“. Die Single-Auskoppelung „What’s Love Got To Do With It“war ein Megahit, Tina wurde mit Grammys überschüttet, als Schauspielerin gefeiert und kam 1988 sogar als Solokünstlerin mit dem größten Konzertauftritt (188 000 Menschen in Rio de Janeiro) ins Guinness-Buch der Rekorde. Sie tourte weiter – bis zu ihrem 69. Lebensjahr in Mini und High Heels. Peinlich? Nö, sexy! Tina blieb eben „Simply the Best“!
Die letzten zehn Jahre hat sie es ruhiger angehen lassen. 2012 wurde sie Schweizer Staatsbürgerin, 2013 heiratete sie Erwin Bach nach fast 30 Jahren wilder Ehe und genießt ihr nächstes Katzenleben genüsslich am Zürichsee. An ihrer Villa prangt laut Bericht einer Südtiroler Zeitung ein Hinweis für die Postboten, dass man bitte schön nicht vor zwölf Uhr klingeln solle.
Mit über 200 Millionen verkauften Tonträgern und einem geschätzten Jahresverdienst von 82 Millionen Dollar (74 Millionen Euro) führt sie laut „People with Money“-Magazin 2019 die Liste der höchstbezahlten Sängerinnen der Welt immer noch an. Da kann man sich zum 80. Geburtstag beruhigt zurücklehnen.