Hamburger Morgenpost

„Wenn wir jetzt handeln, ist

Die beiden Sprecher von „Fridays for Future“geben zu: „Wir sind schon mal geflogen“

- DAS INTERVIEW FÜHRTE SIMONE PAULS

Es geht wieder für das Klima auf die Straße! Am Freitag ruft „Fridays for Future“zum vierten globalen Klimastrei­k auf. Auch in Hamburg werden Zehntausen­de Teilnehmer erwartet. Die MOPO sprach mit den Hamburger Pressespre­chern Jesko Hennig (18, Student) und Annika Rittmann (17, Schülerin) über den Tag.

MOPO: Warum engagieren Sie sich für eine bessere Klimapolit­ik? Jesko Hennig: Es wird seit Jahren nichts für ein besseres Klima getan. Ich habe Ansprüche an mein zukünftige­s Leben, möchte mal Kinder haben und vielleicht mal ein Haus bauen. Wir müssen uns deshalb jetzt für unsere Zukunft einsetzen …

Annika Rittmann: Jahrelang war Klima ein Randthema. Ich verstehe nicht, warum die Politik kaum etwas bewegt und das Thema vor sich hergeschob­en hat. Das weckt in mir Wut und Unverständ­nis. Jesko Hennig: Als junger Mensch ist man in einer krassen Situation. 11 000 internatio­nale Wissenscha­ftler rufen den Klimanotst­and aus. Gleichzeit­ig hört man von der Politik, dass alles gut sei. Da kann man als junger Mensch nicht anders als reagieren. Aber ist es dafür nicht längst zu spät?

Annika Rittmann: Wir sind genau jetzt an dem Punkt, an dem es noch nicht zu spät sein muss. In ein paar Jahren stehen wir vor den Kipppunkte­n. Wenn wir erst in zehn Jahren anfangen zu handeln, müssen wir viel stärker reglementi­eren.

Jesko Hennig: Ichhabedie­Gesellscha­ft noch nie so bewegt wie derzeit erlebt. Den Stein, den wir ins Rollen gebracht haben, müssen wir jetzt nur noch auf die politische Bühne schieben.

Mit dem Schritt in die Öffentlich­keit stellen Sie sich als Pressespre­cher auch der Kritik. Sind Sie darauf vorbereite­t?

Jesko Hennig: Das Wichtigste ist, dass man es zusammen macht. Steht da nur einer, ist es viel schlimmer, viel Hass und Häme abzubekomm­en. Wir stehen da nicht als Privatpers­onen,

sondern sind gewählt worden von vielen Menschen, die sich der Sache auch gestellt haben. Das hilft extrem.

Annika Rittmann: Bei einer Demonstrat­ion hat ein Mann mal gebrüllt, dass wir den Menschen finanziell schaden, indem wir konsequent­e Klimaschut­zgesetze fordern. Wenn man auf die Menschen zugeht und mit ihnen ins Gespräch kommt, bemerken sie, dass es komplett legitim ist, was wir fordern. Wir fordern die Einhaltung des 1,5Grad-Ziels. Das schadet niemandem, sondern kann für sozialen Ausgleich sorgen. Luisa Neubauer wurde als Gesicht der deutschen „Fridays for Future“deutschlan­dweit bekannt. Wie denken Sie darüber?

Jesko Hennig: Ich glaube, es ist sinnvoll, Gesichter zu haben. Einerseits fordern wir Inhaltlich­es, anderseits stehen wir auch als Menschen dafür und halten unser Gesicht hin. Es ist wichtig, dass wir repräsenti­ert werden.

Sind Sie schon mal geflogen? Annika Rittmann: Ja, auf Klassenrei­se. Ich habe versucht, mich zu weigern. Aber das fand die Lehrerin nicht so toll.

Jesko Hennig: Ja, vor fünf Jah

ren.

Es gibt ja oft Vorwürfe, dass Schüler einerseits klimafreun­dliches Verhalten verlangen, aber anderersei­ts mit dem Flugzeug in den Urlaub fliegen oder gern Fast Food essen …

Jesko Hennig: Wir fordern nicht, dass die Menschen jetzt sofort vegan werden oder ihren Diesel abstellen. Es geht darum, die Politik dazu zu bewegen, ein System zu schaffen, in dem wir normal leben können – und zwar nicht auf Kosten der folgenden Generation­en. Da muss die Politik nur Gestaltung­swillen haben. Annika Rittmann: Es hat einen Wandel gegeben. Man bekam von der Gesellscha­ft mitgegeben, dass es toll ist, viel zu reisen. Mit diesem Lebensstil wachsen wir hier auf. Wenn man anfängt, sich damit auseinande­r zu setzen, kommt man ins Nachdenken.

Am Freitag findet der vierte globale Klimastrei­k in Hamburg statt. Rechnen Sie wieder mit großem Andrang?

Annika Rittmann: Der Anspruch ist nicht, dass wir auf den Demonstrat­ionen immer größer und größer werden. Sondern zu sagen: Wir hatten beim letzten Klimastrei­k mit 1,4 Millionen Menschen in Deutschlan­d eine Masse hinter uns stehen und wollen jetzt gemeinsam die Überarbeit­ung des Klimapaket­s fordern.

Was wünschen Sie sich vom Klimastrei­k in Hamburg?

Jesko Hennig: Dass wir Teilnehmer zu eigenen Aktionen inspiriere­n und dass die Demonstrat­ion ein Startpunkt ist. Wenn die Leute anschließe­nd überlegen würden, wie sie für die Zukunft einstehen können, dann wäre das großartig.

Ich verstehe nicht, dass die Politik das Thema Klima so lange vor sich hergeschob­en hat. Annika Rittmann

 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany