Hamburger Morgenpost

Wer rettet Geburtsort des liberalen Judentums?

Bau aus 1844 soll endlich zur Chefsache werden.

- Von THO1AS HIRSCHBIEG­EL

„Rettet die Synagogen-Ruine in der Neustadt.“Mit diesem eindringli­chen Appell wandte sich gestern die Universitä­tsprofesso­rin Miriam Rürup über die MOPO an die Öffentlich­keit. Es geht um die Rettung der verfallene­n Tempelruin­e an der Poolstraße. Gestern lud die liberale jüdische Gemeinde zum Ortstermin und die Vorsitzend­e Galina Jarkowa sagte: „Das ist unser Erbe, ein echter Schatz, und das Gebäude kann jede Minute zusammenbr­echen.“

Wie zum Beweis lag bei der Pressekonf­erenz auf allen Stühlen ein kleiner Stein. Jeden Tag fallen welche herunter. Die Mauerreste des 175 Jahre alten Tempels, der seit 2003 unter Denkmalsch­utz steht, zerbröseln regelrecht.

Bis heute kommen Menschen aus der ganzen Welt an diese Stätte, die für das liberale Judentum von so großer Bedeutung ist. 1844 wurde der imposante Bau eingeweiht. Der damals reichste Mann Hamburgs, der Bankier Salomon Heine, hatte die Synagoge maßgeblich mitfinanzi­ert und sein Neffe, der

Dichter Heinrich Heine, hat den Bau sogar in einem kleinen Vers verewigt. Und von diesem Hinterhof in der Hamburger Neustadt aus verbreitet­e sich das liberale Judentum in der ganzen Welt. Vor allem in den USA gibt es große Gemeinden.

Gestern wurden Appelle der „Foundation for Jewish Heritage“in London und der jüdischen liberalen Gemeinde Wien verlesen, die sich vehement für den Erhalt der Tempel-Reste einsetzen.

Ziel müsse es sein, hier einen „öffentlich­en Begegnungs­und Erinnerung­sort“zu schaffen. Der bekannte Hamburger Historiker und ehemalige Polizeiprä­sident, Wolfgang Kopitzsch, betonte die große Rolle des liberalen Judentums in Hamburg, sagte: „Das ist ein ganz besonderer Ort in der Stadt, der einfach vergessen wurde.“

Am Sonntag um 16 Uhr wird der Lichtkünst­ler Michael Batz die Tempel-Reste ins rechte Licht rücken – und zwar im wortwörtli­chen Sinne. Er hat für die ehemalige Synagoge ein Lichtkonze­pt erdacht. Prof. Miriam Rürup, Direktorin des Instituts für die Geschichte der deutschen Juden (IGdJ), appelliert­e auf der Pressekonf­erenz an die Stadt, das Grundstück zu kaufen.

Kultursena­tor Carsten Brosda äußerte sich dazu gestern nicht konkret, sagte: „Wir wollen, dass das Denkmal unbedingt erhalten wird, und prüfen derzeit, welche Optionen dafür bestehen.“Vielleicht macht ja Peter Tschentsch­er (SPD) den Erhalt des Tempels zur Chefsache. Ein Anwohner traf den Bürgermeis­ter gestern zufällig am Rathaus und drückte ihm die Unterlagen der Pressekonf­erenz in die Hand.

Das Grundstück, um das es hier geht, befindet sich im Besitz von Michael Jester. Seine Familie hatte das Areal laut „Zeit“1937, also schon zur Nazi-Zeit, gekauft. Ob der damals gezahlte Preis angemessen war, ist eher unwahrsche­inlich. Aktuell sucht Jester einen Käufer. Der wird Wohnungen bauen wollen. Weil Jester es jahrelang versäumt hat, die Fassade zu sichern, hat er am 22. November Post des Denkmalsch­utzamts erhalten. Darin werden ihm „Zwangsmaßn­ahmen“angedroht, wenn er die Mauerreste nicht sichert.

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Einig im Kampf für die Tempel-Ruine im Hintergrun­d: Wolfgang Kopitzsch, Miriam Rürup, Galina Jarkowa, Michael Batz (v. l.)
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 ??  ?? Blick in den Hinterhof an der Poolstraße 11, in dem sich auch die Werkstatt „Auto Stern“befindet
Blick in den Hinterhof an der Poolstraße 11, in dem sich auch die Werkstatt „Auto Stern“befindet
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