Hamburger Morgenpost

Das Millerntor hat seinen Schrecken verloren STEFAN KRAUSE UND BUTTJE ROSENFELD

FREUDENHAU­S FÜR GEGNER Klasnic und Lorkowski kritisiere­n Atmosphäre und Mannschaft: „Den Gästen geht es viel zu gut“

- VON ST. PAULI BERICHTEN

redaktion-sport@mopo.de

Die Platte hat ’nen Sprung, hätte man zu Zeiten des Vinyl gesagt: Alle Jahre wieder kommt nicht nur das besungene Christuski­nd auf die Erde nieder, sondern beklagt man beim FC St. Pauli auch eine dürftige Heimbilanz, trotz quasi durchweg ausverkauf­ter Hütte. Das ist in dieser Saison nicht anders, nur drei Partien am Millerntor wurden gewonnen. Zwei Ehemalige wundert das nicht – aber sie haben Verbesseru­ngsvorschl­äge.

Michael Lorkowski ist gebürtiger Hamburger, saß zwei Mal beim Kiezklub auf der Trainerban­k (1982 bis 1986, 1992) und hat den Bezug zum Fußball und zu den BraunWeiße­n nie verloren. Als Stammgast im Stadion weiß er: „Angst hat längst keiner mehr vor dem Duell am Millerntor. Heute freuen sich die Gegner, wenn sie zu uns kommen“, ist sich der 64-Jährige sicher. „Dann sagen die Trainer ihren Profis: ,Genießt die 90 Minuten bei dieser grandiosen Atmosphäre. Das ist der Höhepunkt der Saison.‘ Als Coach des Gegners würde ich das ähnlich machen, meine Jungs zusätzlich motivieren: ,Wenn wir einen Punkt holen oder sogar gewinnen, dann bleiben wir einen Tag länger in Hamburg und machen es uns schön.‘“

Ins gleiche Horn stößt Ivan Klasnic (39). Der Ex-Profi, der beim Kiezklub im bezahlten Bereich Fuß fasste, erinnert sich: „Wir haben zu meiner Zeit ja auch mal gegen den Abstieg gespielt. Aber da hatten die gegnerisch­en Mannschaft­en Angst, ans Millerntor zu kommen. Jetzt freuen sie sich sogar.“

Und nun? „Ich behaupte es schon seit langem, dass es den Gästen am Millerntor viel zu gut geht“, sagt Lorkowski. „Da wird das Vereinslie­d der anderen gespielt, Pfiffe sind die Ausnahme. Da kann man sich schon wohl fühlen. Man muss ja nicht

bösartig werden, aber so, wie es aktuell ist, finde ich das auch übertriebe­n. Es darf nicht sein, dass alle gegnerisch­en Teams hinterher von der Atmosphäre schwärmen, weil sie so schön Fußball spielen konnten.“

Ein Kontrahent allerdings ausgeschlo­ssen: „Beim Derbysieg gegen den HSV hat mir die Truppe gefallen. Da hat sie jeden Zentimeter des Rasens bekämpft“, sagt Klasnic und läuft damit bei Lorkowski offene Türen ein: „Eine solche Einstellun­g muss der Maßstab, die Normalität sein.“

Früher hatten die Gegner Angst, ans Millerntor zu kommen. Jetzt freuen sie sich sogar. Ivan Klasnic

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