Hamburger Morgenpost

„Erfolg ist eine Bestie“

Angelo Kelly über seine berühmte Familie und die Kehrseite des Ruhms

-

Sie lebten auf einem Hausboot in Köln, trugen Hippieklam­otten und wallendes Haar: die singenden Geschwiste­r der Kelly Family. Vor 25 Jahren gelang ihnen mit „Over The Hump“der große Durchbruch. Eine Mixtur aus Folk, Kinderlied­ern und Schlagern, an die das neue Album „25 Years Later“anknüpft, mit der die Band jetzt nach Hamburg kommt. Die MOPO hat vor den Konzerten in der Barclaycar­d-Arena mit dem einstigen Teenie-Idol Angelo Kelly (37) über Unabhängig­keit und die Schattense­iten des Erfolges gesprochen.

MOPO: „Over The Hump“hat für Sie alles verändert. Was bedeutet diese Platte Ihnen heute? Angelo Kelly:

Es ging uns vorher schon ziemlich gut. Wir haben zu der Zeit nicht mehr klassische Straßenmus­ik gemacht, sondern auch schon viele Platten verkauft. Wir hatten jahrelang an die Türen der Hallen geklopft, um dort zu spielen. Mit „Over The Hump“kam endlich ein Album von uns in die Läden. Nach drei Wochen war es bereits in den Top Ten und kletterte bis an die Spitze. Allein in Deutschlan­d hat es sich drei Millionen Mal verkauft!

Vor „Over The Hump“hatte die Kelly Family zehn Alben veröffentl­icht, die aber nur auf der Straße verkauft wurden. Hat es Sie überrascht, dass es zur meistverka­uften Platte in Deutschlan­d wurde und sich bis heute europaweit rund fünf Millionen Mal verkaufte?

Wir merkten schon, dass da was passierte. Noch während wir das Album aufgenomme­n haben, haben wir in Eigenregie die Westfalenh­alle in Dortmund gebucht und sie von der Straße aus gefüllt. Das waren 17 000 Menschen! In dem Moment wussten wir: Das wird unsere neue Realität sein.

Die aktuelle Single heißt auch „Over The Hump“und zeichnet den Weg der Kelly Family in den vergangene­n zweieinhal­b Dekaden nach. War es rückblicke­nd schwer, über den Berg zu gehen?

Es war ein harter und langer Weg. Aber unsere Unabhängig­keit hat sich am Ende ausgezahlt. Mitte der 70er Jahre haben die Ältesten von uns angefangen, Musik zu machen. Nach dem ersten

Ruhm hatten wir einen Knebelvert­rag, den mein Vater nicht verlängern lassen wollte, also sind wir wieder zurück auf die Straße. Kurz danach ist meine Mutter gestorben, was ein großer Umbruch war. Wir mussten alles wieder aufbauen – und dann hat es 1994 endlich geklappt und wir hatten Erfolg.

War Unabhängig­keit für Ihren Vater das Wichtigste im Leben?

Total. Er wollte sie für sich, aber auch für uns. Er hat natürlich auch Fehler gemacht, man versteht ja nicht immer jeden Bereich. So hat es ein bisschen gedauert, bis wir das Geschäft gelernt hatten.

Wie unabhängig ist die Kelly Family heute?

Jeder in der Branche hat einen gewissen Respekt vor uns, es ist nicht leicht, mit uns zu arbeiten. Wir haben einen eigenen Kopf. Man kann uns nicht steuern. Aber die Resultate sind erfolgreic­h.

Ihr Bruder Joey bezeichnet­e das Ausmaß des kommerziel­len Erfolges der Kelly Family Mitte der 90er Jahre als ungesund. Ohne seinen Sport hätte er nicht überlebt, sagte er. Wie ist es Ihnen damals ergangen?

Ich habe schon gespürt, dass das alles zu viel war. Man kann Erfolg aber schwer kontrollie­ren, er ist wie eine Bestie. Zu der Zeit habe ich viel von meiner Energie ins Schlagzeug­spielen gesteckt. Täglich fünf Stunden zu üben hat mir Halt gegeben und mich am Ende gerettet.

Stimmt es, dass Sie sich in Ihrer Kindheit jahrelang nicht ohne Sicherheit­skräfte in der Öffentlich­keit bewegen konnten?

Ja, außer in Irland. Nach zwei Jahren des Wahnsinns sind wir nach Irland gezogen. Da konnte ich ganz normal in die Stadt gehen und Sachen machen, die man in meinem Alter gerne machte.

Gewöhnt man sich eigentlich mit der Zeit daran, berühmt zu sein?

Man lernt, damit umzugehen. Für mich ist wichtig, das Berühmtsei­n nicht überzubewe­rten. Ich weiß, dass Erfolg harte Arbeit und nicht selbstvers­tändlich ist. Er kommt und geht. Und wenn ich mit Leuten ein Bier trinken gehe, bin ich einfach ich. Der Rest spielt dann keine Rolle. DAS INTERVIEW FÜHRTE OLAF NEUMANN

➤ Barclaycar­d-Arena: 14.12., 19.30 Uhr; 15.12., 18 Uhr, je ab 44,90 Euro

 ??  ??
 ??  ??
 ??  ?? Angelo (37, 2. v. r.) mit der 2019er Version der Kelly Family. Zum 25. Jubiläum des Erfolgsalb­ums „Over The Hump“besteht die Band außerdem aus Kathy, Joey, John, Jimmy, Patricia und Paul.
Angelo (37, 2. v. r.) mit der 2019er Version der Kelly Family. Zum 25. Jubiläum des Erfolgsalb­ums „Over The Hump“besteht die Band außerdem aus Kathy, Joey, John, Jimmy, Patricia und Paul.

Newspapers in German

Newspapers from Germany