Schluss mit der Profit-Maximierung!
„Übermorgen-Macher“Stephan Grabmeier: Wir haben die Chance auf neue unternehmerische und gesellschaftliche Freiheiten. Alternative Modelle gibt es bereits
Naturkatastrophen, extreme Wetterphänomene, Umweltzerstörung und ungebremste Ressourcenausbeutung: Fast täglich erreichen uns neue Hiobsbotschaften. Anfang November warnten 11000 Wissenschaftler aus 153 Ländern vor dem Klima-Notfall, der „unsägliches menschliches Leid“zur Folge haben würde.
Die Zeit läuft! Wir müssen jetzt aktiv werden und unser Wirtschaftssystem von rein kurzfristiger Profit- und Gewinnmaximierung auf Nachhaltigkeit und Enkelfähigkeit umstellen: Wir brauchen eine „Sustainable Business Transformation“– in ökologischer, ökonomischer und sozialer Hinsicht.
Unser Ziel muss die Verbesserung der Lebensqualität für alle Menschen sein: für jetzige und künftige Generationen, für alle sozialen Schichten, weltweit. Hier muss ganz besonders die Wirtschaft umdenken und Vorreiter werden: Erfolg darf sich nicht mehr (ausschließlich) am Umsatz- und Gewinnwachstum bemessen. Weg vom Shareholder-, hin zum Stakeholder-Value.
Aber auch jeder Einzelne von uns muss sich fragen, ob das größere Haus/Auto/Boot und der Wochenendtrip nach Mallorca tatsächlich die meist hohe Lebensqualität verbessern, wie wir einkaufen, was wir essen und wie viele Lebensmittel wir aus Wohlstand Woche für Woche wegwerfen.
Das Gute daran: Not macht erfinderisch. Schaffen wir es, unseren Fokus vom linearen Umsatzwachstum auf qualitative Erfolgsindikatoren zu lenken, so haben wir die Chance auf neue unternehmerische und gesellschaftliche Freiheiten. Alternative Modelle gibt es bereits – und viele Kopföffner setzen sie schon heute in die Tat um.
Die Kreislaufwirtschaft basiert auf dem Prinzip „Cradle to Cradle“. Der Umgang mit Ressourcen, die Herstellung und Verwendung von Produkten, die Wiederverwendung und -verwertung der Materialien werden konsequent so gestaltet, dass möglichst wenig Ausschuss und Abfall entstehen. Emissionen und Energieverluste
werden durch Schließung, Verlangsamung und Verkleinerung von Material- und Energiekreisläufen minimiert. Durch Design, Wartung, Reparatur, Wiederverwendung, Aufarbeitung, Recycling und Kaskadennutzung stehen Langlebigkeit und Nachhaltigkeit im Vordergrund.
E-Floater aus Hamburg stellt den neuen Großstadt-Hype E-Scooter zur „Überwindung der letzten Meile“als bisher einziger Anbieter der weithin umstrittenen Bewegung auf nachhaltige Füße. Der E-Floater ist modular aufgebaut und dadurch einfach zu reparieren. Auch die Abholung der E-Floater ist nachhaltig organisiert: Per Lastenfahrrad sammeln die Mitarbeiter die Fahrzeuge ein und bringen sie zu den Sammelpunkten zurück – ohne stinkende Diesel-Emissionen. E-Floater setzt auf lokale Vollzeitmitarbeiter und schafft damit auch nachhaltige Arbeitsplätze.
In Genossenschaften liegt Potenzial, das es neu zu entdecken gilt. In einer Genossenschaft sind die Mitglieder gleichzeitig Besitzer (Prosumenten) und Nutzer (Konsumenten) der Güter und Dienstleistungen, die sie herstellen. Das Hamburger Unternehmen oose Informatik GmbH mit Sitz im Schanzenviertel ist diesen Weg gegangen: Seit 2014 ist es als Genossenschaft vollständig im Besitz der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.
Genossenschaften können ökonomische, ökologische und soziale Interessen bündeln und Lösungen schaffen. Sie basieren auf Werten wie Solidarität, Selbstverantwortung und Gerechtigkeit. Gewinne werden reinvestiert oder an die Mitglieder zurückgegeben. Das Prinzip des Social Business, entwickelt von Mohammad Yunus (Friedensnobelpreisträger 2006) Ende der 1970er Jahre, basiert auf der genossenschaftlichen Idee: Ziel ist die Schaffung von sozialem und ökologischem Mehrwert – um bei der Realisierung den größtmöglichen Impact zu erzielen, werden alle Gewinne wieder in das Unternehmen gesteckt.
Flankiert werden muss besseres Wirtschaften durch wirkungsvolle Hebel auf der Finanzmarktseite – wie das vor Kurzem sogar Blackrock-CEO Larry Fink forderte. Auch zahlreiche institutionelle Investoren beziehen ESG-Bewertungen (Environmental, Social, Global) in ihre Entscheidungsfindung ein. Voraussetzung dafür ist mehr Transparenz darüber, welche sozialen und ökologischen Kosten Finanzprodukte und Investitionen tatsächlich verursachen. Auch Anleger und Verbraucher legen zunehmend Wert auf nachhaltige Finanzprodukte – sie entscheiden nicht mehr allein nach Gewinnaussichten, sondern auch und vor allem danach, ob die Unternehmen, in die sie investieren, einen Mehrwert für die Gesellschaft liefern.
Wir haben eine große Chance für eine nachhaltige Innovationswelle in unserem Land. Besinnen wir uns also auf unsere Fähigkeit, Neues zu schaffen, uns zu verändern und Altes wiederzuentdecken. Dann können wir es schaffen, unsere Wirtschaft auf nachhaltige Füße zu stellen und sie so verändern, dass sie allen Menschen nützt.
➤ Mehr zum Thema besseres Wirtschaften gibt’s in Stephan Grabmeiers neuem Buch, das im Oktober dieses Jahres erschienen ist. Titel: „Future Business Kompass – der Kopföffner für besseres Wirtschaften“.
Unser Ziel muss die Verbesserung der Lebensqualität für alle Menschen sein.
Stephan Grabmeier