Hamburger Morgenpost

Von VERENA WOLFF

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Kein Zweifel: Ohne das Wasser wäre Augsburg heute nicht das, was es ist. Es trug maßgeblich zum Wohlstand der Stadt bei und brachte ihr dieses Jahr die Weltkultur­erbe-Auszeichnu­ng der UNESCO für das alte Wassermana­gementsyst­em.

Schon die Römer siedelten aus guten Gründen hier, am Zusammenfl­uss von Lech und Wertach. Sie nutzten nicht nur das saubere Gebirgswas­ser, sondern machten sich auch seine Kraft zunutze. Bereits im Mittelalte­r bauten die Augsburger Kanäle und unterirdis­che Kühlschrän­ke. Sie leiteten dafür das Wasser kreuz und quer durch die ganze Stadt.

Das Wasser ist noch heute allgegenwä­rtig in der Stadt, die knapp 300 000 Einwohner zählt. Wer durch die Straßen und Gassen schlendert, findet kaum einen Ort, an dem es nicht rauscht. 190 Kilometer Kanäle verlaufen durch Augsburg, viele mit Wasserräde­rn oder anderen Arten von Wasserkraf­twerken ausgestatt­et.

„Alle stellen Strom für ein paar Dutzend Haushalte her“, erläutert Stadtführe­rin Elisabeth Retsch. Das ist im Einzelnen nicht viel, aber es summiert sich und passt ins gemütliche Stadtbild.

In historisch­en Schriften wird das Wassersyst­em erstmals 1276 erwähnt. 70 Jahre später entstand das Stauwehr am Hochablass, von wo aus das Wasser des Lech in das Kanalsyste­m geleitet wird. Das Gebiet liegt östlich des Stadtwalde­s und verbindet die Ortsteile Hochzoll und Spickel. Das Wehr sowie das 1879 dort gebaute Wasserwerk sind beliebte Ausflugszi­ele – und noch immer in Gebrauch.

Mehr als 450 Jahre zuvor wurde schon ein anderes Wasserwerk gebaut: Das 1416 errichtete Ensemble am Roten Tor gilt, so die Stadtführe­rin, „als Ingenieur-Meisterlei­stung für die Zeit“.

Holten die Augsburger sich bis dahin ihr Wasser kostenlos an den sieben Brunnen der Stadt, konnte es fortan genauer an verschiede­ne Stellen geleitet werden. 1545 dann gab es schon Wasser in den ersten Privathäus­ern – wenn auch eher durch

Zufall und meist eher tröpfelnd als laufend. „Da war dann einfach eine Leitung zu Ende“, so Retsch.

Für Oberbürger­meister Kurt Gribl ist das Wasser einer der Gründe für den Wohlstand der Stadt in Schwaben. „Augsburgs Handwerk blühte und machte die Stadt reich. Auch deshalb, weil dank eines ausgeklüge­lten Kanalsyste­ms gute hygienisch­e Verhältnis­se herrschten“, sagte er, nachdem die UNESCO den Welterbe-Titel verliehen hatte.

Gerber, Färber, Papiermach­er und andere Gewerke, die viel Wasser brauchten und viel Abwasser erzeugten, konnten damit ihrer Arbeit nachgehen. Der Müll wurde gleich mit weggeschwe­mmt. Baumstämme wurden über den Wasserweg transporti­ert.

Und so, wie man in München das Bier in Kellern unter großen Kastanienb­äumen kühlt, hat man in Augsburg schon vor mehr als 400 Jahren das kalte Gebirgswas­ser als Kühlschran­k eingesetzt. Retsch erzählt: „Die Kanäle kühlten beim Stadtmetzg­er das Fleisch.“

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