KRITIK
Sein Stimmvolumen kam nicht zur Geltung
KATJA SCHWEMMERS
Conchita Wurst ist jetzt als Tom Wurst unterwegs. Am Sonntag trat der als Thomas Neuwirth geborene Österreicher mit fünfköpfiger Band und zwei Background-Sängerinnen auf Kampnagel auf und war sich bewusst, dass seine künstlerische Neuerfindung auf manche noch befremdlicher wirkt als eine Frau mit Bart.
„Ich weiß, dass einige die langen Haare und Abendkleider vermissen“, so Wurst. „Die Conchita kommt sicher mal wieder. Irgendwann muss ich wieder meine innere Mariah Carey herausfordern. Momentan ist sie allerdings von der Präsidentengattin zur Go-go-Tänzerin mutiert.“
Die Lacher hatte der 31-Jährige damit auf seiner Seite. Dabei war „The Body“Wurst, der zwischen grün und rot blinkenden Leuchtstäben ausgelassen tanzte, an diesem Abend geradezu züchtig unterwegs: Seine schwarze Robe, die ihn wie einen Gladiator aussehen ließ, gab lediglich den Blick frei auf eines seiner wohlgeformten muskulösen Beine, das gefühlt länger wirkte als das von Angelina Jolie bei den Oscars 2012. Statt Balladen gab es mehrheitlich tanzbaren Elektropop seines Albums „Truth Over Magnitude“, mit dem man auch gut Ibiza beschallen könnte.
„Meine Liebe zur Frequenzmusik und geführten Meditationen kommt damit zum Ausdruck“, meinte Wurst. „Da dauert ein Outro schon mal zwanzig Minuten. Und es ist so notwendig und so schön.“Manchmal wirkte es allerdings so, als würde man einen mit Diamanten besetzten Stiefel in einen viel zu kleinen Schuhkarton pressen – denn sein volles Stimmvolumen konnte Wurst so nicht ausspielen.
Bis er dann doch zwei seiner Balladen-Hits als Akustik-Medley darbot. „Ich habe eine Hassliebe zu diesem Song. Wie oft kann man einen Song singen?“, witzelte Wurst über „Rise Like A Phoenix“. Ein ESC-Gewinnertitel ist nun mal nicht totzukriegen.