Warum die Hilfe bei vielen Betroffenen nicht ankommt
Trotz einer Vielzahl von Angeboten gibt es einige Hemmnisse
HAMBURGS HELDEN nicht zurück und teilen ihre Angestellten in SchichtGruppen ein, daran können sich dann auch Wagner und sein Team anpassen. Mit Privatkunden sehe das schon anders aus: Viele haben Angst vor der Pandemie und wollen keine Fremden mehr ins Haus lassen.
Generell werde auch der Kontakt unter den Klempnern seiner Firma vermieden, erzählt der Geschäftsführer.
SVEA ESSER
Während der Corona-Krise wird allen langsam immer deutlicher, welche Berufe unser System am Laufen halten. Ärzte, Pfleger, Polizisten, Verkäufer, Bauarbeiter und Co. sind „systemrelevant“. Und auch ohne ihn säßen ganz schön viele Menschen in der Patsche: Jens Wagner ist Klempner und muss auch in Pandemie-Zeiten weiterarbeiten, damit alles läuft.
Klempner können nicht kontaktlos bei ihren Kunden vorbeischauen – sie müssen rein in die Wohnung, ohne zu wissen, ob sie sich gerade in Corona-freier Zone befinden oder nicht. Doch Jens Wagner hat Glück: Viele seiner Kunden sind aus dem Gewerbe oder der Industrie – deshalb hat sein Betrieb noch Aufträge und kann weiterhin bestehen.
Die Großkunden Aufträge wegen ziehen Corona
„Hier wird sich auch nicht mehr mit Handschlag begrüßt.“Mit Mundschutz, Desinfektionsmittel und Abstand arbeitet sein Team weiter. „Ohne uns geht’s ja nicht“, sagt Wagner. Trotzdem versucht er, Kundenkontakt, wo es nur geht, zu vermeiden – per Videocall lasse er sich oft die Anliegen der Kunden zeigen und kann dann oft schon helfen, ohne selbst vor Ort zu sein.
Klempnerei-Inhaber Jens Wagner vor einem Firmenwagen
Doch das geht leider nicht immer: „Ich hab’ auch schon gehabt, dass einer gesagt hat, ich fahre da nicht hin.“Zu viele Menschen waren dem Angestellten von Wagner in der Wohnung des Kunden – und zu groß die Sorge um eine Corona-Infektion.
Ein mulmiges Gefühl hat auch der Geschäftsführer momentan, doch er spielt es herunter. „Andere können gar nicht arbeiten gerade, da möchte ich gar nicht so viel klagen“, sagt er der MOPO.
Mit gesundem Menschenverstand würden er und sein Team es gerade durch diese schwere Zeit schaffen, erklärt Wagner. Mit großer Vorsicht vor Ort und auch dem Abwägen der Wichtigkeit der Anliegen führen die Klempner gerade ihren Job aus. Da wird auch mal durchs geöffnete Fenster hindurch etwas unterschrieben oder „dann tropft der Wasserhahn halt noch ein paar Wochen länger, das ist dann auch nicht so schlimm.“
Im Zuge der Corona-Krise müssen sich viele Hamburger mit Kurzarbeit oder sogar dem Jobverlust auseinandersetzen. Das hat drastische Folgen: Immobilieneigentümer können ihre monatlichen Raten an die Bank nicht mehr zahlen. Viele fragen sich, wie es jetzt weitergehen soll. Die MOPO fragte nach. „Kreditnehmer sollten sich rechtzeitig bei ihrem Bankberater melden“, lautet der Rat von Alexander Krolzik, Bau- und Immobilienfinanzierungs-Experte bei der Verbraucherzentrale Hamburg. Viele Banken hätten bereits angekündigt, ihren
Kunden entgegenzukommen und gemeinsam nach einer Lösung zu suchen. Und auch der Haspa sei die Unterstützung und Begleitung ihrer Kunden durch die Corona-Krise ein großes Anliegen, sagt Sprecherin Stefanie von Carlsburg. Sie bietet den Hamburgern folgende Unterstützung
an: „Privatkunden, die von der Corona-Krise betroffen sind und deshalb keine Zahlungen leisten können, können ab sofort die Aussetzung der Zins- und Tilgungszahlungen ihrer Haspa-Verbraucherdarlehen beziehungsweise der Immobilienfinanzierungen veranlassen.“
Viele Menschen in Hamburg sind in diesen Zeiten auf Hilfe angewiesen – vor allem Ältere und Menschen mit Vorerkrankungen, die zur Risikogruppe zählen. Doch genau diese Betroffenen haben oft Probleme, hilfsbereite Hamburger zu kontaktieren. Das zeigt ein Fall aus St. Pauli.
In den Zeiten der Krise ist in Hamburg eine deutliche Solidarität in der Bevölkerung spürbar. Das macht Hoffnung, die schwere Zeit zu überstehen. Doch die Vielzahl der solidarischen Angebote wie Einkaufshilfe oder Unterstützung beim Gassigehen sind gerade für ältere Menschen schwierig zu nutzen, da sie beispielsweise keinen Internetanschluss besitzen, um Helfer zu kontaktieren. So wie André D. aus St. Pauli, der die MOPO anrief und um dringend benötigte Hilfe bat.
Der Mann wurde wegen der Corona-Erkrankung eines Mitarbeiters vorzeitig aus seiner Reha entlassen und nach Hause geschickt – 14 Tage Quarantäne inklusive, da eine Ansteckung bei dem Reha-Mitarbeiter nicht ausgeschlossen werden konnte.
Informationen, wie er sich nun mit dem Nötigsten versorgen soll, hat er keine bekommen. Er habe kein Internet und könne die Hilfs-Angebote im Internet nicht wahrnehmen. „Ich wurde auf Anordnung des Gesundheitsamtes nach meinem mehrwöchigen Reha-Aufenthalt nach Hause geschickt. Doch weitere Hilfe habe ich nicht bekommen. Da ich momentan kein Internet habe, ist es schwer für mich, Hilfe zu organisieren“, erklärt André D. auf MOPONachfrage.
Er fühle sich von den zuständigen Behörden im Stich gelassen. „Sie lassen uns mit unseren Problemen alleine.“Und die sind allgegenwärtig. Da er seine Wohnung nicht verlassen dürfe, müssten ihm die Lebensmittel direkt vor die Wohnungstür gestellt werden. Glücklicherweise habe sein Nachbar Hilfe angeboten, er könne ihn in den nächsten zwei Tagen mit Lebensmitteln versorgen – doch was dann? „Ich erwarte einfach mehr Unterstützung vom Staat. Wir werden in Quarantäne gesteckt, aber dann wird sich nicht weiter gekümmert“, klagt André D.
Der 49-Jährige gehört zur Risikogruppe. Durch schwere Vorerkrankungen sei eine potenzielle Ansteckung mit dem Coronavirus für ihn fatal. Doch aus seiner Not heraus habe er schon mit dem Gedanken gespielt, einkaufen zu gehen, wenn keine Hilfe mehr vorhanden sei.
Glücklicherweise bekommt er diese nun und muss sich nicht selbst in Gefahr bringen: Durch den Anruf bei der zuständigen Mitarbeiterin der MOPO, die die Aktion „Hamburg hilft sich“koordiniert, konnte ihm ein Helfer vermittelt werden. Alleine hätte er das wohl nicht geschafft.
Es gibt vermutlich viele Hamburger mit dem gleichen Schicksal wie André D. Eine Sprecherin der Gesundheitsbehörde empfiehlt auf MOPO-Nachfrage, sich in solchen Fällen an das Seniorenhilfstelefon unter Tel. 428288000zuwendenoder bei der allgemeinen CoronaHotline unter der Tel. 428 28 40 00 anzurufen. „Die Mitarbeiter dort haben einen Überblick über die verschiedenen Hilfsangebote und können in den meisten Fällen weitervermitteln“, so die Sprecherin.
Wir werden in Quarantäne gesteckt, aber dann wird sich nicht weiter gekümmert. André D.
Mit einer bundesweiten Studie will das Universitätsklinikum Schleswig-Holstein (UKSH) untersuchen, wie der Verlauf von Covid-19 über die Ernährung verbessert werden kann. Hintergrund des Projektes sei der begründete Verdacht, dass Mangelernährung ein wesentlicher Risikofaktor für einen schweren Krankheitsverlauf
der Covid-19-Erkrankung ist. In ganz Deutschland sollen ab sofort rund 1300 ambulante Patienten einbezogen werden, die leichte bis mittelschwere Symptome aufweisen.
Ziel sei es laut Klinikum, milde Erkrankungen zu stabilisieren und die Zahl schwerer Verläufe, die eine Sauerstofftherapie im Krankenhaus
nötig machen, zu reduzieren. Dazu solle gezielt der Ernährungsstatus der Patienten optimiert werden.
Forscher der Klinik haben bereits 2012 gezeigt, dass der negative Einfluss einer Mangelernährung auf das Immunsystem insbesondere auf eine einzelne Aminosäure zurückzuführen sei. Sie stellten fest, dass molekulare Ernährung – zumindest bei Tieren – eine reparierende Wirkung für die Immunfunktion habe.
Für die Studie soll die eine Hälfte der Patienten täglich über vier Wochen 1000 Milligramm Vitamin B3 bekommen, die andere Hälfte bekomme das Heilmittel Kieselerde.