In Osteuropa bröckelt der Rechtsstaat
Siehe da: EU-Mitgliedstaaten haben sich an EURecht zu halten. Das Urteil des Europäischen Gerichtshofs ist wahrlich keine Überraschung. Die Rechtmäßigkeit des 2015 per Mehrheitsvotum zustande gekommenen Beschlusses, 160 000 Geflüchtete von Italien und Griechenland aus in der gesamten EU zu verteilen, stand nicht infrage. Dennoch säten Polen, Ungarn und Tschechien Zweifel, indem sie die Aufnahme einiger weniger Flüchtlinge als Gefahr für die nationale Sicherheit ablehnten.
Sosehr sich die sogenannte Flüchtlingskrise von der Corona-Krise unterscheiden mag, eines haben sie doch gemeinsam: Sie legen schonungslos offen, wie gegensätzlich man im Westen und im Osten des Kontinents über die liberale Demokratie denkt. Die Möchtegernautokraten Viktor Orbán und Jarosław Kaczynski schränken den Einfluss von Parlamenten, Justiz und Medien massiv ein. Und der Rest der EU schaut der Erosion grundlegender Pfeiler von Rechtsstaatlichkeit inmitten des Staatenbundes in Schockstarre zu. Europa leidet am Schwund gemeinsamer Überzeugungen und geteilter Werte. Was bleibt, um die EU zusammenzuhalten?