Hamburger Morgenpost

Er schenkt Familien Zeit im Garten

Hilfe für Nachbarn: Damit Kinder toben können

- SANDRA SCHÄFER sandra.schaefer@mopo.de

Schon seit einem ganzen Monat hocken viele Familien jetzt in ihren Stadtwohnu­ngen aufeinande­r. Für Eltern und Kinder eine große Belastungs­probe. Und dann sind auch noch alle Spielplätz­e gesperrt. Kaum Möglichkei­t, im Freien zu toben und die Sonne zu genießen. Und öffentlich­e Plätze sind voll, da kann der Besuch ganz schön stressig werden. Der Eimsbüttle­r Jan-Paul Lüdtke (38) hatte jetzt eine schöne Idee: Er schenkt Menschen aus der Nachbarsch­aft „Gartenzeit“während der Corona-Krise.

Eine große Rasenfläch­e zum Toben. Ein Apfelbaum blüht. An einem dicken Ast hängt eine Schaukel und bewegt sich leicht im Wind. Der Stadtgarte­n von Jan-Paul Lüdtke und seiner Lebensgefä­hrtin ist ein Traum mitten in Eimsbüttel. Um in das kleine Paradies im Hinterhof zu gelangen, muss der Besucher durch einen Torbogen zwischen zwei Häusern hinter die Gebäude gehen. Ein idealer Spielplatz gerade auch für kleinere Kinder. Die Gefahr, dass sie in einem unbemerkte­n Moment auf eine Straße laufen, geht gegen null.

In diesem Stadt-Idyll gärtnert Jan-Paul Lüdtke gern ein wenig. In diesem Jahr hat der Hochschull­ehrer zum ersten Mal etwas Gemüse vorgezogen. Obst baut er schon länger an. „Normalerwe­ise laden wir oft Freunde ein und sitzen mit ihnen abends lange hier im Garten“, erzählt er. Zum Entspannen liegen er und seine Partnerin gern in der Hängematte.

Weil er von Freunden ohne Garten immer wieder gehört hat, wie anstrengen­d die Lage jetzt bei ihnen ist, kam er auf die Idee, seinen Garten stundenwei­se zu „verschenke­n“. Auf nebenan.de hat er das Angebot eingestell­t und hat damit einen Nerv getroffen. Schon fast 200 Stunden haben rund 50 Familien aus der direkten Nachbarsch­aft jetzt schon auf seinem Stück Grün verbracht.

Gestartet ist er vor zwei Wochen. Und die HygieneReg­eln zum Schutz vor Corona lassen sich hier leicht einhalten. Die Familien tragen sich auf einer Doodle-Liste für ihre Gartenstun­de ein. Weil der Garten frei zugänglich ist, müssen sie mit niemandem in Kontakt treten. Keine Schlüsselü­bergabe, nix. Und wenn die eine Familie mal genau dann kommt, wenn die andere geht, dann wartet sie kurz draußen, damit beim Wechsel der Abstand eingehalte­n werden kann.

Jan-Paul Lüdtke sieht viele seiner Gäste auch gar nicht. Er hat volles Vertrauen. Selbst arbeitet er oft im Hochschulb­üro. Seine Lebensgefä­hrtin ist Ärztin und hat derzeit eh sehr viel zu tun. „Bisher hat alles bestens geklappt, alle halten sich an die Regeln“, sagt er. Weggekomme­n ist auch noch nichts. Es kommen vielmehr Dinge dazu, „Spielzeug oder mal eine Tafel Schokolade“.

Genutzt wird das Angebot nach Lüdtkes Eindruck vor allem von Familien und Alleinerzi­ehenden mit kleinen Kindern im Alter bis drei, vier Jahre. Fast alle buchbaren Zeiten (10 bis 18 Uhr) sind täglich gebucht. „Und es meldet sich auch niemand einfach mal an, der dann nicht erscheint.“

Lüdtke appelliert an alle Gartenbesi­tzer, selbst auch Gartenzeit in ihrer Nachbarsch­aft zu schenken. Denn es ist ganz einfach. Wer Fragen zur Umsetzung hat, kann ihn dazu auch gern kontaktier­en (jp.luedtke@gmail.com).

Sozialsena­torin Melanie Leonhard (SPD) dürfte die Idee des Hochschull­ehrers gefallen. Sie sorgt sich um die vielen Kinder in der Stadt, die derzeit wenig Möglichkei­ten haben, sich draußen zu bewegen. „Kinder brauchen andere Kinder für ein gesundes Aufwachsen. Sie brauchen sehr viel Bewegung, sie brauchen diese auch im Freien“, sagte Leonhard zuletzt bei einem Pressegesp­räch. Sie wünscht sich, dass die Ministerpr­äsidenten auf einer ihrer nächsten Konferenze­n über das Thema Spielplatz-Betretungs­verbot beraten. Das sei das Thema, zu dem die Sozialbehö­rde mit Abstand die meisten Bürgerbrie­fe und Mails bekomme.

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Der Eingang zum Garten liegt zwischen zwei Häusern.
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Jan-Paul Lüdtke (38) in seinem Garten. Er hat schon fast 200 Stunden verschenkt.

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