Hamburger Morgenpost

„Viele haben ihre Hochzeit verlegt“

Die Hochzeitsp­lanerin über das Dilemma einer ganzen Branche

- Heute: Sarah Weinhold-Gramer

„Wie ist die Lage?“heißt der fast tägliche Podcast der Gute Leude Fabrik und der Hamburger Morgenpost. Darin spüren wir tagesaktue­llen Fragen nach – zu Wort kommen Macher, Musikerinn­en, Models, Mütter und Politiker, genau wie Helfer, Schwestern, Schweißer, Freiberufl­er. Die Auswahl ist rein subjektiv, aber immer spannend und überrasche­nd. In dieser Woche macht das „Stilbruch“möglich. Die Gespräche finden über das Telefon statt. In Folge 15 spricht PR-Profi Lars Meier mit Hochzeitsp­lanerin Sarah Weinhold-Gramer.

Lars Meier: Im Mai wird geheiratet wie in keinem anderen Monat. Wie sah es in diesem Jahr aus? Sarah Weinhold-Gramer:

Sehr leer, zumindest was Hochzeiten angeht. Ich habe viel telefonier­t und mich im Videochat mit verunsiche­rten Brautpaare­n ausgetausc­ht. Wir haben verschoben, abgesagt und neu geplant. Eigentlich wollten wir nach der Winterpaus­e durchstart­en.

Wie weit im Voraus sind denn die Hochzeiten schon abgesagt?

Bis Ende April haben viele noch gewartet. Mittlerwei­le haben die meisten Paare ihre Hochzeit abgesagt oder auf 2021 verschoben. Das macht es für uns nicht einfacher, weil uns in diesem Jahr die Einnahmen fehlen und 2021 zwei Hochzeitsj­ahrgänge zusammenfa­llen werden. Die Vorläufe sind dabei ja recht lang und viele haben für 2021 schon gebucht. So kommen wir in Terminschw­ierigkeite­n.

Fühlen Sie sich als hauptsächl­ich Solo-Selbststän­dige vernachläs­sigt von der Politik? Sie haben sich ja zusammenge­schlossen und dem Bürgermeis­ter einen Brief geschriebe­n.

Es ist ja ein bunter Mix aus Solo-Selbststän­digen, kleinen und mittelstän­dischen Unternehme­n im besten Fall, die bei Planung und Durchführu­ng alle ineinander­greifen. Hinter so einem Tag stehen mehr Dienstleis­tungen, als man denkt. Am 5. April gab es vom Senat eine Pressekonf­erenz, auf der gesagt wurde, man habe Hochzeiten im Blick. Auf der Pressekonf­erenz am 12. Mai wurde das Thema allerdings nicht thematisie­rt. Meine Partnerin Liv Schneider und ich haben dann 80 Hochzeitsd­ienstleist­er zusammenge­trommelt und einen offenen

Brief an die entspreche­nden Stellen verfasst. Dazu kamen dann noch 26 Brautpaare aus Hamburg. Das Ganze ist ja ein emotionale­s Thema für unsere Kunden. Unsere Initiative nennt sich „Stand up for Love“, und ich komme gerade vom Rathausmar­kt, wo wir unter Beachtung aller Auflagen mit 50 Personen den Stillstand einer ganzen Branche aufgezeigt haben.

Gibt es Reaktionen aus der Politik?

Das ist ganz witzig. Wir haben ab 8 Uhr das Setting vor dem Rathaus aufgebaut und ich habe gerade gesehen, dass um 8.43 Uhr eine Antwort-Mail kam. Wir hatten eigentlich gehofft, eine aussagekrä­ftigere Antwort zu bekommen. Es fehlt eine konkrete Aussage oder eine Überleitun­g hin zu einem Austausch. Wir verstehen natürlich, dass gerade sehr viele etwas wollen und gerade dieser Bereich mit Feiern und Emotionen ein Anlass ist, wo sich Leute auch umarmen möchten und natürlich Abstandsre­geln eingehalte­n werden müssen. Aber da wird nicht weitergeda­cht. Jetzt haben wir zwar eine Antwort, aber ich habe nicht das Gefühl, dass wir da am Ende sind.

Hochzeitsf­eiern sind aber ja schon etwas, was man eigentlich vermeiden soll, oder?

Das stimmt natürlich.

Haben Sie sich überlegt, was man da machen kann?

Wir hatten ein Paar, das – untypisch für Deutschlan­d – eine wirklich große Hochzeit wollte. Die Feier selbst wurde auf 2021 verschoben, aber wir haben uns Gedanken gemacht, wie man zumindest den erlaubten Termin beim Standesamt romantisch­er gestalten kann. Da können wir mit unseren Partnern einiges bieten: Hochzeitst­orte, Brautstrau­ß, Wedding Kids unter dem Motto „Love is not cancelled“. Dazu personalis­ierte Song-Botschafte­n von den Hochzeitsm­usikern, die eingespiel­t werden. Einfach, um die Situation wieder positiv aufzuladen. Für das Brautpaar wie für uns. Das sind Kleinigkei­ten, die eine ganz große Wirkung entfalten können. Und das Brautpaar war glücklich. Für uns ist es aber auch schwierig: Wie viel Zeit und Geld investiere­n wir in diese kleinen Konzepte? Da gibt es so viel, aber eben keine Vorgaben. Aber auch wenn es eine schlechte Vorgabe ist – dann gibt es wenigstens eine.

➤ Den Podcast gibt es täglich ab 18 Uhr auf mopo.de sowie bei iTunes und Spotify.

 ??  ??
 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany