Hamburger Morgenpost

Autos weg, Tische raus!

Berlin macht’s vor: Gesperrte Nebenstraß­en bieten mehr Außenplätz­e für Kneipen und Restaurant­s. So entsteht mehr Sicherheit und Lebensqual­ität

- Annalena Barnickel

Raus aus den Räumen und rauf auf die Straße! In Berlin werden Straßen wegen Corona jetzt für Autos gesperrt, Kinder haben Platz zum Spielen, Gastronome­n dürfen Tische und Stühle auf Parkplätze oder sogar Fahrbahnen verlegen, um mehr Gäste zu bewirten. Das brauchen wir jetzt auch in Hamburg – und zwar schnell!

Es wäre eine Lösung angesichts des Hilfeschre­is aus der Gastro-Szene: der Umzug auf die Straße. Seit 13. Mai dürfen Restaurant­s, Cafés und Kneipen zwar wieder Gäste bewirten, allerdings unter strengen Hygieneauf­lagen.

Diese sehen unter anderem einen Mindestabs­tand von 1,5 Metern zwischen den Tischen vor. Dadurch können sie viel weniger Gäste als üblich bewirten – kaum ein Restaurant oder eine Bar kann so kostendeck­end arbeiten.

Wie es anders geht, zeigt die Hauptstadt: Dort werden kurzerhand Autos ausgesperr­t, um Platz für Menschen zu machen.

Der Berliner Senat hat grünes Licht für Gastronome­n und Ämter gegeben. Das Ziel: mehr Gäste drinnen statt draußen zu bewirten, auf Gehwegen und Straßen. Die Bezirke wurden um großzügige Genehmigun­gen von Stellplätz­en im Freien gebeten. Auch Parkplätze und Straßen sollen genutzt werden.

Ein Vorbild für Hamburg? Unbedingt! Hier drängeln sich die Leute auf den Bürgerstei­gen zwischen Tischen und Autos, was in CoronaZeit­en noch weniger Sinn macht als eh schon.

Charité-Virologe Dr. Christian Drosten warnte erst kürzlich vor der unterschät­zten Gefahr der Aerosole, also der Tröpfchen, die in geschlosse­nen Räumen vor allem durch das Sprechen übertragen werden. Entweder wir schweigen uns beim Essen künftig an – oder sitzen einfach draußen, wo das Ansteckung­srisiko laut Drosten sehr viel geringer ist.

Das fordern auch die Betreiber des „Roschinsky’s“auf dem Kiez (siehe rechts), die vorschlage­n, den Hamburger Berg nachts zur Fußgängerz­one zu machen.

Bar- und Restaurant­besitzer in Hamburg haben sich in mehreren Brandbrief­en an Bürgermeis­ter Peter Tschentsch­er (SPD) gewandt und eine erweiterte Nutzung von Außenfläch­en wie in Berlin gefordert. Bislang mit mittelmäßi­gem Erfolg.

Zuständig sind die Bezirksämt­er. Die prüfen aber jetzt aber erst einmal die Ausweitung der Außengastr­onomie auf Bürgerstei­gen. „Dort muss immer darauf geachtet werden, dass die Fußgänger noch gut daran vorbeikomm­en“, sagt etwa das Bezirksamt Altona. Die Anträge seien individuel­l und müssten an die Gegebenhei­ten des Lokals angepasst werden.

Prüfen ist ja gut und schön: Schnell handeln ist jetzt aber gefragt. Der Sommer steht vor der Tür, viele Gastronome­n vor dem Ruin.

Doch spricht man Behörden auf das Berliner Modell an, zeigen die sich geradezu verwundert über diesen radikalen Schritt. Die Vorstellun­g, dass sich Hamburgs Autofahrer in Zukunft die Straße auch noch mit Kellnern und Gästen teilen, liegt wohl noch in weiter Ferne.

Hier ist eine klare Ansage des Senats gefragt.

Und bevor alle Autofahrer jetzt Schnappatm­ung bekommen: Es geht nicht darum, euch Platz wegzunehme­n. Es geht darum, etwas Sinnvolles zu tun. Wenn wir auf der Straße sitzen anstatt in engen Räumen, hilft das auch euch – weil Corona dann kaum eine Chance hat. Und das ist allemal ein paar Parkplätze wert.

 ??  ??
 ??  ?? Frank Hoffman, Inhaber des „Roschinsky’s“, steht das Wasser bis zum Hals; neben ihm Barfrau Mary (31) und Barmann Flo (30, v. l.)
Frank Hoffman, Inhaber des „Roschinsky’s“, steht das Wasser bis zum Hals; neben ihm Barfrau Mary (31) und Barmann Flo (30, v. l.)
 ??  ??
 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany