Hamburger Morgenpost

Hilferuf einer Kult-Institutio­n

ST. PAULI So krass leiden die Kneipen auf dem Kiez

- SIMONE PAULS s.pauls@mopo.de

Restaurant­s, Gaststätte­n und Cafés dürfen seit dem 13. Mai wieder öffnen. Auch die Kneipe „Roschinsky’s“auf dem Hamburger Berg hat wieder auf. Aufgrund der Auflagen macht die Kiez-Institutio­n jeden Tag Verluste – ein Schicksal, das auch den Clubs droht, wenn sie wieder öffnen dürfen. Die Geschäftsl­eitung ruft um Hilfe.

Das „Rosch“, wie es Stammgäste liebevoll nennen, ist kaum wiederzuer­kennen. Zwischen den Tischen sind Wände aus Plexiglas, ebenso am Tresen. Niemand steht mit einer Buddel Bier in der Hand herum. Niemand tanzt. Wer reinkommt, wird von einem Mitarbeite­r an einen Sitzplatz begleitet. „Es ist nicht mehr die Bar, die wir mal hatten“, sagt Barbara Wetzer, Pressebeau­ftragte des „Roschinsky’s“.

Wenn es voll ist, feierten hier bis zu 200 Leute gleichzeit­ig. Jetzt sind im Laden nur noch 41 Gäste erlaubt, vor der Tür zehn. Das Problem: „Um die Hygieneauf­lagen, die Kontaktdat­enaufnahme und alle anderen Auflagen gewissenha­ft gewährleis­ten zu können, brauchen wir unter der Woche mehr Personal als vor der Krise. Dagegen stehen aber weniger Gäste, da der Kiez zurzeit wenig belebt ist, und die Tatsache, dass wir nur noch ein Fünftel unserer eigentlich­en Gästeanzah­l in das „Roschinsky’s“lassen können“, heißt es in einer Erklärung der Kneipe.

Das traurige Fazit nach der ersten Zeit: „Wir verlieren bei jedem Öffnen Geld“, sagt Barbara Wetzer. Die Umsatzeinb­ußen betragen derzeit etwa 66 Prozent. Die

Einnahmen reichten nicht aus, um Miete und alle Fixkosten zu finanziere­n. Schwierig sei auch, dass die Kurzarbeit-Regelung seit der Wiedereröf­fnung nicht mehr greife. Das Kurzarbeit­ergeld werde nur anteilig für die Stunden gezahlt, die nicht gearbeitet werden. Wenn dies so bliebe, seien die Kosten höher als zu Zeiten der Schließung.

Das „Roschinsky’s“ruft nun um Hilfe, stellvertr­etend für andere Kneipen, Clubs und Bars – denn sie werden bei einer Öffnung die gleichen Probleme haben. „Dabei geht es uns nicht um ein Abschwäche­n der Auflagen zuungunste­n der Gesundheit! Es geht darum, realistisc­he Überlebens­entwürfe für die Bars und Kneipen und für die Mitarbeite­r zu finden“, heißt es in der Stellungna­hme.

Folgende Maßnahmen schlagen die Betreiber der Kneipe unter anderem vor: Das Kurzarbeit­ergeld wird trotz Öffnung weitergeza­hlt, die Mehrwertst­euer für Getränke von 19 auf 7 Prozent gesenkt, damit der Einkauf günstiger wird. Kosten für Umbauten sollten erstattet werden.

Weiterer Vorschlag: Man sollte neue Möglichkei­ten der Außengastr­onomie diskutiere­n. Die Straße Hamburger Berg könnte beispielsw­eise nachts, wie auch die Große Freiheit, zur Fußgängerz­one werden. Dann hätten die Gastronome­n mehr Platz für Außenbestu­hlung und könnten mehr Gäste begrüßen.

Ein Lichtblick in der schwierige­n Lage: die Gäste! Barbara Wetzer: „Viele freuen und bedanken sich, dass wir wieder da sind. Gerade jetzt sind soziale Kontakte, wenn auch unter Auflagen, unendlich wertvoll.“

Es ist nicht mehr die Bar, die wir mal hatten. Wir verlieren jetzt bei jeder Öffnung Geld. Barbara Wetzer, „Roschinsky’s“

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Die Sitzbereic­he sind nun durch Plexiglass­cheiben getrennt.
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Frank Hoffmann an der „Getränkeau­sgabe“am Tresen
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