Hilferuf einer Kult-Institution
ST. PAULI So krass leiden die Kneipen auf dem Kiez
Restaurants, Gaststätten und Cafés dürfen seit dem 13. Mai wieder öffnen. Auch die Kneipe „Roschinsky’s“auf dem Hamburger Berg hat wieder auf. Aufgrund der Auflagen macht die Kiez-Institution jeden Tag Verluste – ein Schicksal, das auch den Clubs droht, wenn sie wieder öffnen dürfen. Die Geschäftsleitung ruft um Hilfe.
Das „Rosch“, wie es Stammgäste liebevoll nennen, ist kaum wiederzuerkennen. Zwischen den Tischen sind Wände aus Plexiglas, ebenso am Tresen. Niemand steht mit einer Buddel Bier in der Hand herum. Niemand tanzt. Wer reinkommt, wird von einem Mitarbeiter an einen Sitzplatz begleitet. „Es ist nicht mehr die Bar, die wir mal hatten“, sagt Barbara Wetzer, Pressebeauftragte des „Roschinsky’s“.
Wenn es voll ist, feierten hier bis zu 200 Leute gleichzeitig. Jetzt sind im Laden nur noch 41 Gäste erlaubt, vor der Tür zehn. Das Problem: „Um die Hygieneauflagen, die Kontaktdatenaufnahme und alle anderen Auflagen gewissenhaft gewährleisten zu können, brauchen wir unter der Woche mehr Personal als vor der Krise. Dagegen stehen aber weniger Gäste, da der Kiez zurzeit wenig belebt ist, und die Tatsache, dass wir nur noch ein Fünftel unserer eigentlichen Gästeanzahl in das „Roschinsky’s“lassen können“, heißt es in einer Erklärung der Kneipe.
Das traurige Fazit nach der ersten Zeit: „Wir verlieren bei jedem Öffnen Geld“, sagt Barbara Wetzer. Die Umsatzeinbußen betragen derzeit etwa 66 Prozent. Die
Einnahmen reichten nicht aus, um Miete und alle Fixkosten zu finanzieren. Schwierig sei auch, dass die Kurzarbeit-Regelung seit der Wiedereröffnung nicht mehr greife. Das Kurzarbeitergeld werde nur anteilig für die Stunden gezahlt, die nicht gearbeitet werden. Wenn dies so bliebe, seien die Kosten höher als zu Zeiten der Schließung.
Das „Roschinsky’s“ruft nun um Hilfe, stellvertretend für andere Kneipen, Clubs und Bars – denn sie werden bei einer Öffnung die gleichen Probleme haben. „Dabei geht es uns nicht um ein Abschwächen der Auflagen zuungunsten der Gesundheit! Es geht darum, realistische Überlebensentwürfe für die Bars und Kneipen und für die Mitarbeiter zu finden“, heißt es in der Stellungnahme.
Folgende Maßnahmen schlagen die Betreiber der Kneipe unter anderem vor: Das Kurzarbeitergeld wird trotz Öffnung weitergezahlt, die Mehrwertsteuer für Getränke von 19 auf 7 Prozent gesenkt, damit der Einkauf günstiger wird. Kosten für Umbauten sollten erstattet werden.
Weiterer Vorschlag: Man sollte neue Möglichkeiten der Außengastronomie diskutieren. Die Straße Hamburger Berg könnte beispielsweise nachts, wie auch die Große Freiheit, zur Fußgängerzone werden. Dann hätten die Gastronomen mehr Platz für Außenbestuhlung und könnten mehr Gäste begrüßen.
Ein Lichtblick in der schwierigen Lage: die Gäste! Barbara Wetzer: „Viele freuen und bedanken sich, dass wir wieder da sind. Gerade jetzt sind soziale Kontakte, wenn auch unter Auflagen, unendlich wertvoll.“
Es ist nicht mehr die Bar, die wir mal hatten. Wir verlieren jetzt bei jeder Öffnung Geld. Barbara Wetzer, „Roschinsky’s“