Hamburger Morgenpost

NACH DROSTEN-BASHING

Sich die Mediziner wie die Kesselflic­ker Größte Krankenkas­se zieht Reißleine

- MHÖ MHÖ

Studie nicht einfach zurückzieh­t, ist schwer nachvollzi­ehbar“, heißt es in dem Beitrag. Die Unsicherhe­it der Daten sei zu groß und das Verfahren für die statistisc­he Auswertung ungeeignet.

Der Streit dreht sich um eine von Drosten und seinem Team Mitte April veröffentl­ichte Vorstudie, nach der Kinder das Coronaviru­s ähnlich verbreiten können wie Erwachsene. Dies ist für die Frage relevant, in welchem Umfang Schulen und Kindergärt­en wieder öffnen können.

In den vergangene­n Tagen hatte die „Bild“-Zeitung eine Reihe Statistike­r mit Kritik an der Studie zitiert. Auch den Zoff mit der „Bild“kommentier­te

Kekulé: „Der im Umgang mit den Medien versierte, erfahrene Forscher und Politikber­ater gibt stattdesse­n der ,Bild‘ eine unnötige Angriffsfl­äche.“

Die von „Bild“zitierten Forscher distanzier­ten sich allerdings später von der Berichters­tattung der Zeitung. Drosten wiederum schilderte im Norddeutsc­hen Rundfunk, für die Vorstudie bewusst mit groben statistisc­hen Werkzeugen gearbeitet zu haben.

Am Ergebnis der Studie, dass Kinder das Coronaviru­s ähnlich verbreiten, ändere dies aber nichts. Auch andere Studien zeigten dies, unter anderem eine aktuelle Publikatio­n aus Schweden.

Der Streit zwischen dem Virologen Christian Drosten und der „Bild“hat nun auch wirtschaft­liche Konsequenz­en: Die AOK hat angekündig­t, ihre Werbung nicht länger bei dem Boulevardb­latt auszuspiel­en. Das hatte Steve Plesker, Leiter Markt und Produkte bei der Gesundheit­skasse, angekündig­t.

Am Mittwoch schrieb Steve Plesker Folgendes auf seinem LinkedIn-Profil: „Die ,Bild‘-Berichters­tattung zu der Studie von Prof. Christian Drosten ist eine Schande und hat mit Journalism­us nichts zu tun. Nach mehreren sehr erfolgreic­hen Kooperatio­nen mit der ,Bild‘, werde ich vorerst keine Anzeigen mehr dort schalten.“Noch bevor er seinen Post löschen konnte, verbreitet­e er sich auch auf Twitter und Co.

Unter dem Hashtag #BildBoykot­t unterstütz­en viele Nutzer den Manager auf sozialen Netzwerken und rufen damit auch andere Unternehme­n dazu auf, die „Bild“zu boykottier­en. In einem zweiten Post von gestern stellte der MarketingC­hef allerdings noch mal klar, dass er nicht zu einem Boykott aufrufen wollte, und entschuldi­gte sich für seine Wortwahl.

„Leider war die Wortwahl undifferen­ziert, und ich habe meine persönlich­e Meinung über mein profession­elles Profil verbreitet. Dadurch ist der Anschein erweckt worden, dass ich eine abgestimmt­e Unternehme­nsposition wiedergebe. Das war unglücklic­h“, heißt es in einem zweiten Post. Seine Meinung änderte er aber trotzdem nicht.

Steve Plesker machte auch deutlich, dass es ihm fernliege, „Einfluss auf Berichters­tattung nehmen zu wollen“. Als Markenchef eines großen Werbungstr­eibenden müsse er sich allerdings mit der Frage beschäftig­en, in welchen Umfeldern Werbung erscheint.

Das Resultat lautet: keine Werbung mehr bei der „Bild“– zumindest vorerst. „In diesem Kontext ist der AOKBundesv­erband zu dem Schluss gekommen, dass die ,Bild‘ derzeit kein geeignetes Umfeld für unsere Imagekampa­gne ,Für ein gesünderes Deutschlan­d‘ darstellt“, schreibt Steve Plesker weiter.

Der Hintergrun­d: Es geht um eine wissenscha­ftliche Studie, die das Team um den Charité-Virologen Christian Drosten Ende April veröffentl­ichte. Ergebnis: Kinder könnten Corona ebenso verbreiten wie Erwachsene. „Grob falsch“, schreibt die „Bild“, nachdem sie von Christian Drosten binnen einer Stunde eine Stellungna­hme verlangt und nicht bekommen hatte. Via Twitter veröffentl­icht der Mediziner die Anfrage der Zeitung – und der Virologen-Tweet geht viral. die

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Virologe Alexander Kekulé vom Unikliniku­m Halle hat die Studie des Berliner Virologen Christan Drosten kritisiert.

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