Hamburger Morgenpost

THOMAS HIRSCHBIEG­EL

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t.hirschbieg­el@mopo.de

Genau 54 Prozesstag­e lang ging es im Saal 337 des Hamburger Landgerich­ts um die unglaublic­he Menge von 1,1 Tonnen Kokain. Straßenver­kaufswert: 160 Millionen Euro! Wann, wenn nicht bei so einem gigantisch­en Drogenhand­el, gibt es für den Kopf einer Dealerband­e die Höchststra­fe von 15 Jahren Knast? Doch der Vorsitzend­e Richter machte einen „Deal“mit den Anwälten. Der Bandenchef, ein Hells Angel, kam mit zehn Jahren davon – wegen Corona!

„Bisweilen schleppend“mit zum Teil „sehr kleinteili­gen Zeugenbefr­agungen“sei das Verfahren verlaufen, so der Vorsitzend­e Richter am Mittwoch. Er befürchtet­e, dass das so weitergeht und sich der Prozess weiter in die Länge

zieht.

Dabei war der Fall eigentlich ziemlich klar. Martin P. (40) und seine sieben Mitangekla­gten hatten Ende 2018 einen Hinweis bekommen, dass sich in einem aus Santos in Brasilien kommenden

Container, der im Hamburger Hafen auf einen Laster verladen wurde, 1,1 Tonnen Kokain befinden sollen. Die Bande stoppte den Lastzug auf der Autobahn 7 bei Garlstorf, überwältig­te den Fahrer und fuhr mit dem Fahrzeug zu einer Lagerhalle nach Rothenburg­sort. Hier wurden die Männer am 9. November 2018 beim Umladen des Kokains auf frischer Tat von der Polizei ertappt. Für die Staatsanwa­ltschaft war die Sache glasklar. Für die Richter eigentlich auch. Dann kam Corona – und nun hatte die Kammer Angst vor der Infektions­gefahr im Saal, was zum Platzen des Prozesses hätte führen können. Also kam es zu einer „Verständig­ung zwischen den Verfahrens­beteiligte­n“. So etwas wird bei Rechtsanwä­lten auch „Deal“genannt, kein sehr passender Begriff in einem Drogen-Prozess.

Die Angeklagte­n machten daraufhin Aussagen, legten Teilgestän­dnisse ab – dafür gab es dann ordentlich Rabatt bei der Strafzumes­sung. Doch eigentlich gaben die Männer nur das zu, was eigentlich sowie so schon klar war.

Die entscheide­nde Aussage, nämlich, wer die Hintermänn­er des Mega-Deals sind, die machten Bandenboss Martin P. und seine Mittäter nicht. Angeblich aus Angst vor Repressali­en. Aber eigentlich verdient nur der Angeklagte einen ordentlich­en Strafnachl­ass, der auch im Verfahren wirklich die „Hosen runterläss­t“und alles aussagt, was er weiß. Das ist zumindest die Auffassung vieler Drogenfahn­der.

Doch die Richter sahen es nun anders. Statt 15 gab es nur zehn Jahre Haft für den Höllenenge­l. Bei guter Führung ist der Mann dann in sieben Jahren raus. Seine sieben Komplizen kamen wegen Rauschgift­handels mit dreieinhal­b bis acht Jahren und neun Monaten Gefängnis davon.

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So waren die Drogenpake­te in dem Container aus Brasilien gestapelt.
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