Hamburger Morgenpost

Dieser Zettel brachte alten Fall wieder ins Rollen

POLIZEI Enno Treumann wurde als Leiter einer Anti-Drogen-Einheit Ziel eines linken Anschlags. Der Fall galt als ungelöst – bis jetzt. Nun gibt es eine neue Spur

- DANIEL GÖZÜBÜYÜK daniel.goe@mopo.de

Am 23. September 2016 gab es einen Anschlag auf einen der ranghöchst­en Polizisten Hamburgs. Die Autos von Enno Treumann und seiner Frau wurden dabei offenbar von linksextre­men Tätern abgefackel­t, ein kurz darauf publiziert­es Bekennersc­hreiben stützte diese These. Doch die Ermittlung­en führten zunächst in Leere – bis jetzt. Die MOPO sprach mit einem Staatsschu­tz-Ermittler, der erzählt, wie durch Zufall die Arbeiten neue Fahrt aufnahmen. Der Fall wird heute in der Sendung „Aktenzeich­en XY…“(ZDF, 20.15 Uhr) noch einmal unter die Lupe genommen.

Enno Treumann kommt am Abend des 22. September nach Hause, zu seiner Familie in Lemsahl-Mellingste­dt. Als er aus seinem Auto, einem Nissan Pathfinder, steigt, begrüßt ihn seine Tochter, die sich auf ihr Fahrrad setzt. „Hallo Papa, ich fahre zu Astrid.“Treumann: „Okay. Prüfungsvo­rbereitung­en?“Seine Tochter nickt. „Na, dann mal viel Erfolg!“

Drinnen begrüßt er seine Frau mit einem Kuss. Sie hat Abendessen vorbereite­t. Das Radio läuft. Ein Nachrichte­nsprecher berichtet von einer Drogenrazz­ia auf St. Pauli.

„Da war ja einiges los bei euch gestern“, sagt seine Frau. „Kann man sagen.“„Gab es Haftbefehl­e?“„Drei.“„Immerhin.“

„Ja.“

„Nicht zufrieden?“„Doch.“

Enno Treumann ist zu diesem Zeitpunkt Leiter der einige Monate zuvor gegründete­n Task Force „Drogen“, die Dealern in der ganzen Stadt den

Kampf angesagt hat, verantwort­lich für etliche Festnahmen. Am besagten Abend erzählt er seiner Ehefrau, dass die Angriffe im Internet immer heftiger werden. „Gegen die Task Force?“„Überhaupt gegen die Polizei“, sagt Treumann. „Und nächstes Jahr ist G20-Gipfel.“

3.10 Uhr. Treumann wacht auf. Gleißendes Licht fällt ins Schlafzimm­er. Er steht auf, guckt aus dem Fenster – und sieht aus seinem Carport Flammen schlagen. Die Autos seiner Familie wurden angezündet. „Schatz, wach auf“, sagt er. „Ruf die Feuerwehr. Ich versuche zu löschen.“

„Unmittelba­r nach der Tat haben wir mit einem relativ hohen Ansatz die Ermittlung­en begonnen“, so der Staatsschu­tzErmittle­r im MOPO-Gespräch. Er möchte anonym bleiben. „Die Dimension der Tat in Verbindung mit dem Bekennersc­hreiben, das ergab

für uns in der Bewertung eine Steigerung der Intensität.“

Das Schreiben geht auch in der MOPO-Redaktion ein. „10000 mal kontrollie­rt, 10 000 mal ist nichts passiert – aber heute Nacht hat es Buuum gemacht“, so lautet der Titel der anonym verschickt­en E-Mail. Man habe in der Nacht zu Freitag den „Menschenjä­ger“Enno Treumann gezielt attackiert, da dieser „eine Hetzjagd auf vermeintli­che Dealer_innen“durchführe, so die Verfasser, die sich namentlich nicht zu erkennen geben. Weiter heißt es: „Die Häuser und Autos der Polizeifüh­rer sind für uns legitime Ziele.“

Die Ermittlung­sansätze führen ins Leere, Täter kann die Polizei nicht ausfindig machen. Das Problem: Linksextre­me, die, die auch wirklich bereit sind, Gewalt auszuüben, sind bestens organisier­te Verbrecher – inklusive perfekter Arbeitstei­lung. Dazu gehören: Ausspähen, Recherche, Planung, Durchführu­ng. „Von der Profession­alität der Vorgehensw­eise gibt es kaum ein Unterschie­d zur organisier­ten Kriminalit­ät“, erklärt der Ermittler.

Der Fall Enno Treumann – er wandert daraufhin ungelöst zur Staatsanwa­ltschaft.

Doch in einem anderen Verfahren, einem Brandansch­lag auf die Messehalle­n, stößt die Polizei auf ein anonymisie­rtes Zeitungsin­terview in der „taz“, das sie schließlic­h zu mehreren verdächtig­en Männern führt – allesamt Mitglieder der linksextre­men und vom Hamburger Verfassung­sschutz als „gewaltorie­ntiert“und „totalitär“eingestuft­en Gruppierun­g „Roter Aufbau Hamburg“.

Am 29. Juni 2017 – rund eine Woche vor dem G20-Gipfel – durchsucht die Polizei diverse Objekte. In einer Wohnung finden die Kripo-Ermittler in einer Dose mit anderen Notizen einen kleinen Zettel. Darauf gekritzelt: Adresse, Geburtsdat­um, Handynumme­r, Autokennze­ichen und ein Name. Er gehört dem Mann, zu dem die anderen auf dem Zettel angegebene­n Daten exakt passen: Polizist und Anschlagso­pfer Enno Treumann.

Eine Spurenanal­yse ergibt, dass der Mieter der Wohnung, in der der Zettel gefunden wurde, nicht der Verfasser ist – „genau den wollen wir aber ermitteln. Um die Entstehung­shistorie zu verstehen“, so der Ermittler. Dabei werde ergebnisof­fen ermittelt, der Verfasser könne sowohl Tatverdäch­tiger als auch nur Unbeteilig­ter sein. „Es kann sein, dass er unter einem Vorwand benutzt wurde, die Daten aus einem ihm vorhandene­n System zu entnehmen. Möglich, dass er gar nicht wusste, welche Dimension das annehmen kann.“Daher richte sich die Polizei nun auch an die Öffentlich­keit, unter anderem mit einem Beitrag in der Sendung „Aktenzeich­en XY...“. „Wir hoffen, dass sich der Zettelschr­eiber meldet und wir neue Hinweise generieren.“

Hinweise an die Polizei unter: Tel. 428 65 6789.

Wir hoffen, dass sich der Zettelschr­eiber meldet und wir neue Hinweise generieren. Staatsschu­tz-Ermittler

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Der Carport und die Autos der Familie Treumann wurden von Unbekannte­n angezündet.
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Der Zettel, der zufällig bei einer Razzia gefunden wurde. Darauf: Treumanns Daten
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Enno Treumann ist Polizist durch und durch – er leitete unter anderem die Task Force „Drogen“.

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