Hamburger Morgenpost

Hier spielt das Herz von St. Pauli

Michael Engelhardt hat eine Spieluhr mit der Stadionhym­ne gebastelt

- r.rosenfeld@mopo.de BUTTJE ROSENFELD

Wie alle Fußball-Anhänger in Deutschlan­d leiden auch die Fans des FC St. Pauli unter den Geisterspi­elen. Sie vermissen ihr Millerntor, die Rituale vorm Abpfiff und während des Spiels. Der Hamburger Michael Engelhardt hilft in dieser Zeit der unfreiwill­igen Abstinenz: Er bietet Spieluhren mit der Stadionhym­ne „Das Herz von St. Pauli“an.

Die Uhren kosten zwischen 13 und 15 Euro, sind im Karovierte­l bei „Hanseplatt­e“, „Zardoz“, „Groove City“und beim „Grand Hotel van Cleef “sowie im Museum des FC St. Pauli erhältlich. Über 700 der Holzkästch­en wurden bisher verkauft.

Es gibt sie bereits seit Saisonstar­t, doch jetzt haben sie durch das Publikumsv­erbot immens an Bedeutung gewonnen – jeder kann an der kleinen Kurbel drehen, den alten Hit von Hans Albers hören und träumen. Engelhardt: „Es gab zum Glück schon vor Covid 19 eine Idee, wie jeder zumindest ein kleines bisschen Heimspiel-Atmosphäre in analoger Form selbst erzeugen kann.“

Inspiriert wurde Engelhardt, der beim Independen­t-Musikvertr­ieb „Indigo“in Hamburg arbeitet, durch die norwegisch­e Band „Motorpsych­o“: „Die hatten auch eine Spieluhr mit einem ihrer Songs auf den Markt gebracht.“1984 kam der in Gevelsberg geborene Westfale nach Hamburg. Seitdem ist der Kiezklub aus seinem Leben nicht mehr wegzudenke­n. Fast philosophi­sch erklärt Engelhardt schmunzeln­d: „Der Verein hat mich ausgesucht! Wenn ich das Gelände am Millerntor betrete, dann ist das so, als wenn mir ein kuschelige­r Mantel umgelegt wird.“

Es gehe ihm nicht nur um Fußball. Für ihn sind die Sta

dionbesuch­e viel mehr, als sich alle zwei Wochen in die angestammt­e Nordkurve zu stellen und die Kiezkicker zu unterstütz­en. Es ist für ihn die regelmäßig­e Arbeit in den Fanräumen bei Heimspiele­n und das Treffen interessan­ter Menschen aus dem Viertel, was für ihn die Faszinatio­n St. Pauli ausmacht. Und: „Man ist auch Teil eines Regulativs, das zum Beispiel den Schwachsin­n wie den Sportdome oder den Millerntal­er verhindern konnte.“Zudem gehe er mit seinen Mitstreite­rn aktiv gegen Schwarzhan­del von Tickets und illegale Bierverkäu­fer vor.

Vor gut fünf Jahren trat er dem 1996 gegründete­n und mittlerwei­le 30 Personen starken Fanklub „Pröppers Vendetta“bei. Der Name ist eine Hommage an den früheren Spielmache­r Carsten Pröpper. Engelhardt: „Er war eine Identifika­tionsfigur, hat sich immer für seine Mannschaft und den Verein reingehaue­n.“ Interessan­t: Vendetta kommt aus dem Italienisc­hen, heißt übersetzt „Blutrache“. Die Erklärung für den außergewöh­nlichen Namen ist simpel: Die Gründungsm­itglieder hatten sich bei den damaligen Auswärts-Mottofahrt­en als Mafiosi verkleidet. Engelhardt versichert lachend, dass es keine kriminelle­n Aktivitäte­n gibt. „Wir haben in meiner Zeit noch nie jemandem Betonschuh­e verpasst und im Wasser versenkt.“

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 ??  ?? Michael Engelhardt zeigt sein Schmuckstü­ck: Der 56Jährige verkauft Spieluhren mit der Stadionhym­ne „Das Herz von St. Pauli“. Über 700 wurden bereits verkauft.
Michael Engelhardt zeigt sein Schmuckstü­ck: Der 56Jährige verkauft Spieluhren mit der Stadionhym­ne „Das Herz von St. Pauli“. Über 700 wurden bereits verkauft.

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