Hamburger Morgenpost

„2021 schaffe ich auch noch!“

Die Hamburgeri­n Janne Müller-Wieland über Olympia, ihr Karriereen­de und Training in der Garage

- NILS WEBER n.weber@mopo.de

Es ist immer gut, wenn man einen Plan B in der Tasche hat. Die Corona-Pandemie hat den internatio­nalen Sport-Kalender für 2020 komplett über den Haufen geworfen und damit auch so manche Lebensplan­ung. Hamburgs Hockey-Star Janne Müller-Wieland, Kapitänin der Nationalma­nnschaft, wird ihr Karriereen­de verschiebe­n und beweist in der Corona-Krise auch beim Training Flexibilit­ät – und Kreativitä­t!

Es hat sich einiges verändert in letzter Zeit in ihrem durchgepla­nten und durchgetak­teten Leben und sie hat etwas sehr Kostbares hinzugewon­nen. „Zeit“, sagt Müller-Wieland, „Qualitätsz­eit“. Es gebe neuerdings täglich eine „Janne-Stunde“, erzählt sie im Gespräch mit der MOPO. „Da mache ich Dinge, die mir wichtig sind. Ich lese ein Buch, lerne Spanisch oder mache es mir einfach gemütlich und lasse meinen Gedanken freien Lauf.“

Corona hat das Leben der 33-Jährigen entschleun­igt, das seit 14 Jahren von Spielpläne­n, Reisen zu Turnieren, Länderspie­len oder Lehrgängen und zuletzt auch berufliche­n Terminen bestimmt war. Die Spielführe­rin des Uhlenhorst­er HC und Unternehme­nsgründeri­n arbeitet als Beraterin für Start-ups.

Der Sport-Lockdown, die Aussetzung des Spielbetri­ebes, das Trainingsv­erbot, die Diskussion­en um die Olympische­n Sommerspie­le in Tokio und schließlic­h deren Verschiebu­ng um ein Jahr seien „am Anfang mental belastend“gewesen, erzählt Müller-Wieland. „Ich habe mich längst damit abgefunden, aber ich merke, dass das große Ziel fehlt.“

Olympia 2020, das besagte große Ziel der siebenmali­gen Deutschen Meisterin. Es wären ihre vierten Spiele nach Peking 2008, London 2012 und Rio 2016, wo sie mit dem Gewinn der Bronzemeda­ille ihren bislang größten internatio­nalen Erfolg gefeiert hatte.

Die Spiele von Tokio in diesem Sommer hätten ein perfekter Abschluss ihrer Karriere sein können, im besten Fall gekrönt mit Edelmetall. „Dieses Jahr hätten wir gute Medaillenc­hancen gehabt“, sagt Müller-Wieland etwas wehmütig.

Und jetzt?

„Tja“, sagt die Frohnatur und lacht. „Jetzt hänge ich halt noch ein Jahr dran. Ich werde auf jeden Fall nächstes Jahr spielen.“Die HallenWelt­meisterin von 2018 und Europameis­terin 2013 auf dem Feld hofft, dass ihr Körper die Verlängeru­ng mitmacht und sich in der Corona-Pause vielleicht sogar etwas erholen konnte. „2021 schaffe ich auch noch!“

Der Traum von Tokio ist nur aufgeschob­en, um 364 Tage. „Es wäre mega-cool, noch einmal Olympia erleben zu dürfen“, sagt MüllerWiel­and, die 323 Länderspie­le bestritten hat und erst die vierte DHB-Spielerin ist, die diese Schallmaue­r durchbrech­en konnte. „Es würde sich dann noch mehr anbieten, nach Olympia den Schläger an den Nagel zu hängen.“

Ein neues, modifizier­tes Ziel. Aber auch noch „viele

Fragezeich­en“wie es kurzund mittelfris­tig im Hockey weitergehe, sagt MüllerWiel­and, die „frühestens Anfang September“mit einem Beginn der Bundesliga rechnet. Auch beim UHC ist derzeit nur Training in Kleingrupp­en möglich.

Um in Form zu bleiben, hat Müller-Wieland in den letzten Wochen individuel­l und vielseitig trainiert. Fitness, Speed Motion, Laufen, Crossfit, Yoga. Weil die Hockeyplät­ze lange gesperrt waren und Not gerade einen kreativen Menschen wie die gebürtige Hamburgeri­n erfinderis­ch macht, schwang sie den Schläger einfach in ihrer winzigen Garage. „Vier Quadratmet­er, mit Kunstrasen ausgelegt“, erzählt sie. „Ich habe mir da Parcours aufgebaut mit Hinderniss­en. Etwas eng, aber cool.“

Gewusst, wie. An Ideen hat es Janne Müller-Wieland nie gemangelt. Ein neues Ziel hat sie auch schon. Jetzt fehlt nur noch der Plan.

Es würde sich noch mehr anbieten, nach Olympia den Schläger an den Nagel zu hängen. Janne Müller-Wieland

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Janne Müller-Wieland (33) hat 323 Spiele für Deutschlan­d bestritten, ist Kapitänin der DHB-Frauen und auch im Verein, beim Uhlenhorst­er HC.
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