Hamburger Morgenpost

„Nur Weiße“: Aufstand in der SPD

Warum es in Hamburgs größter Partei massive Kritik gibt:

- MIKE SCHLINK mike.schlink@mopo.de

Hamburg steht für Vielfalt, ist eine Stadt der Willkommen­skultur – doch dieses Image nimmt jetzt Schaden. Warum? Weil Multikulti offenbar vorm Rathaus-Tor Halt macht, Personen mit Migrations­hintergrun­d so gut wie keine politische­n Spitzenpos­itionen bekleiden. In der SPDBasis brodelt es deshalb gewaltig.

Besonders bei den Sozialdemo­kraten mit Migrations­hintergrun­d. Noch bevor der neue Senat gewählt wurde, gab es Kritik an der angedachte­n Besetzung. Kein rot-grüner Senator mit ausländisc­hen Wurzeln, auch kein Staatsrat – das würde die Vielfalt der Stadt überhaupt nicht widerspieg­eln, sagte unter anderem Ex-Juso-Chefin Armita Kazemi. Die Worte änderten jedoch nichts, der Senat blieb „weiß“. Migranten? Fehlanzeig­e!

„Dies scheint zu einer so bunten, weltoffene­n und vor allem vielfältig­en Stadt wie Hamburg nicht zu passen. Es fehlt die Repräsenta­tion der Bevölkerun­g“, kritisiert die Türkische Gemeinde Hamburg. Zur Info: 35,5 Prozent der Hamburger haben einer Zuwanderun­gsgeschich­te.

Auch deshalb forderte die Gemeinde die Koalitions­partner von SPD und Grünen dazu auf, bei der weiteren Besetzung von politische­n Posten auf mehr Vielfalt zu achten. Immerhin: Knapp 18 Prozent der Bürgerscha­ftsabgeord­neten haben einen Migrations­hintergrun­d.

Bei der SPD sind es sogar 13 von 54 Abgeordnet­en. Klar, schließlic­h haben die Sozialdemo­kraten als alte Arbeiterpa­rtei schon immer einen starken Bezug zu Zuwanderer­n gehabt, viele Migranten haben sich in den vergangene­n Jahrzehnte­n ein Parteibuch der Sozis besorgt – weil sie sich bislang immer gut repräsenti­ert gefühlt haben. Dieses Vertrauen schwindet jedoch.

Auch weil selbst in dem frisch gewählten, geschäftsf­ührenden fünfköpfig­en SPD-Fraktionsv­orstand kein Migrant zu finden ist. Gleiches gilt für die SPDPräsidi­ums-Posten.

„Die Besetzung des Geschäftsf­ührenden Fraktionsv­orstandes sowie des Bürgerscha­ftspräsidi­ums fußt auf Vorschläge­n aus den SPD-Kreisen“, heißt es dazu aus der Fraktion. Nach MOPO-Informatio­nen gab es zumindest in einem dieser Kreise heftige Auseinande­rsetzungen, weil ein Politiker mit Migrations­hintergrun­d bei den Vorschläge­n nicht berücksich­tigt wurde.

Inzwischen wird die SPD-Postenverg­abe vereinzelt sogar als „Veranstalt­ung der Weißen“bezeichnet. Ganz klar: Die Kritik wird lauter. Inzwischen zeigen sich sogar jene Personen empört, die der SPD jahrelang den Rücken gestärkt haben.

Ein Beispiel ist Behcet Algan. Der Friseur aus Altona ist nicht nur seit Jahrzehnte­n SPD-Mitglied, er gilt auch als größter Fan von ExBürgerme­ister und Vizekanzle­r Olaf Scholz (SPD), hat bei zahlreiche­n Wahlkämpfe­n für die Sozis getrommelt. Jetzt ist er enttäuscht. Im Gespräch mit dem deutsch-türkischen Nachrichte­nportal „Elbe Express“nannte er die Senatsbese­tzung von SPD und Grünen eine „Heuchelei“.

Und Coskun Costur, Vize-Chef der Arbeitsgem­einschaft Selbststän­dige in der SPD Hamburg, spricht im Interview mit dem Portal – in Anlehnung an die aktuelle Gesellscha­ftsdebatte – von strukturel­lem Rassismus.

„Ich will das einzelnen Parteien nicht vorwerfen“, sagt Costur. „Aber ich denke, dass es ein Grund ist, dass Menschen mit Migrations­hintergrun­d nicht in solche Posten gebracht werden.“Die CDU sei da schon weiter, dort wollte man Ay

 ??  ?? Multikulti? Im neuen Senat sucht man Personen mit Migrations­hintergrun­d vergeblich.
Multikulti? Im neuen Senat sucht man Personen mit Migrations­hintergrun­d vergeblich.
 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany