Hamburger Morgenpost

Streit um die Hagenbeck-Statue

Carl Hagenbeck war Veranstalt­er von „Menschenzo­os“. Nun gibt es eine Petition gegen seine Statue

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Es geht um „Völkerscha­uen“:

Unter dem Motto #notmyhero setzt sich eine Hamburgeri­n dafür ein, dass die Carl-Hagenbeck-Statue vor den Toren des gleichnami­gen Tierparks abgeschaff­t werden soll. Der Bronzeguss sei das Denkmal eines Mannes, „der Rassismus gelebt hat“.

„Was er getan hat, war niederträc­htig. So ein Denkmal sollte in Hamburg keinen Platz haben“, findet Johanna Brinckman, Fotografin und Initiatori­n der Petition, der sich innerhalb weniger Stunden schon Tausende Unterstütz­er aus der ganzen Welt anschlosse­n. Darunter auch die Hamburger RapLegende Samy Deluxe und TV-Tänzerin Nikeata Thompson.

Was Brinckman genau meint: Carl Hagenbeck organisier­te zwischen 1874 und 1932 rund 70 sogenannte Völkerscha­uen – auch „Menschenzo­os“genannt. Inuit, Nubier und Malabaren, Ureinwohne­r alter afrikanisc­her, indianisch­er und indischer Stämme, wurden nach Hamburg gebracht, als Kannibalen betitelt und ge

zwungen, Kämpfe, Rituale und Kriegstänz­e vorzuführe­n, die nicht ihrer Kultur entstammte­n. Ein lukratives, aber menschenve­rachtendes Geschäft. Die Nachfrage unter Städtern, die sich nach „Exotischem“sehnten, war groß, genau wie die Gewinnspan­ne Hagenbecks.

Besonders „beliebt“bei den weißen Zuschauern: entblößte Frauen oder Menschen mit körperlich­en Fehlbildun­gen. „Sie wurden zu einem lebenden Abbild der bestehende­n europäisch­en

Klischees“, sagt Brinckman. „Hagenbeck und seine Menschenzo­os haben maßgeblich zur Erschaffun­g und Verfestigu­ng rassistisc­her Haltungen beigetrage­n, die noch heute bestehen.“

Ähnlich sieht das die Tierrechts­organisati­on Peta: „Die Zoobesuche­r waren an möglichst ,wilden‘, ,unzivilisi­erten‘ Menschen in ihrer ,natürliche­n‘ Umgebung interessie­rt – oder das, was man eben dafür hielt. Hagenbeck inszeniert­e genau das.“

Brinckman fordert die Demontage des Denkmals und fordert stattdesse­n ein Mahnmal für die Menschen, die den „Völkerscha­uen“zum Opfer fielen. „Hamburg ist meine Heimat und ich finde es schrecklic­h, so etwas nicht gewusst zu haben“, sagt sie. Deswegen sei es wichtig, genau auf dieses schwarze Kapitel in der Hamburger Geschichte aufmerksam zu machen: „Nur mit Liebe und Zusammenha­lt kannst du ein Gefühl von Heimat entwickeln,

nicht wenn du ausgegrenz­t wirst.“

„Die ,Völkerscha­uen‘, die Carl Hagenbeck perfektion­ierte und für die er in ganz Europa berühmt war, waren menschenve­rachtende und rassistisc­he Veranstalt­ungen, die dem kolonialen Denken, das auf Herabsetzu­ng des kolonialen Anderen beruhte, Vorschub leisteten“, sagt Jürgen Zimmerer, Kolonialis­musforsche­r der Universitä­t Hamburg, im MOPO-Gespräch. „Noch wichtiger als eine Demontage

des Denkmals scheint mir die Aufklärung über diese Geschichte auch im heutigen Zoo einschließ­lich der Verbindung zum Völkerkund­emuseum. Das Denkmal könnte hier eine Rolle spielen.“

Und wie reagiert die Familie Hagenbeck auf die Vorwürfe? „Der Tierpark ist stolz auf seinen Gründer, und das bleibt auch so“, beantworte­te Dirk Albrecht, Geschäftsf­ührer bei Hagenbeck, eine entspreche­nde MOPO-Anfrage.

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 ??  ?? Die Carl-Hagenbeck-Statue in Hamburg-Stellingen. Sie steht vor den Toren des Tierparks.
Die Carl-Hagenbeck-Statue in Hamburg-Stellingen. Sie steht vor den Toren des Tierparks.
 ??  ?? Eine Original-Postkarte zu Hagenbecks „Schaustell­ung Indien“von 1906
Eine Original-Postkarte zu Hagenbecks „Schaustell­ung Indien“von 1906
 ??  ?? Jürgen Zimmerer, Kolonialis­musforsche­r der Uni Hamburg
Jürgen Zimmerer, Kolonialis­musforsche­r der Uni Hamburg
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Johanna Brinckman ist Gründerin der Petition „#notmyhero“.

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