Hamburger Morgenpost

DER TAG AN DEM ...

Der berühmte „Sänger von St. Pauli“starb. Zigtausend­e schlossen sich dem Trauerzug nach Ohlsdorf an

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schlechthi­n, wo sich amüsierlus­tige Hamburger aller Volksschic­hten trafen. Zu Hamburgs Theater- und Varietémei­le gehörte das CarlSchult­ze-Theater, das Ernst-Drucker-Theater (heute St. Pauli-Theater) und das Operettenh­aus, und Aufführung­en in Plattdeuts­ch waren total en vogue zu jener Zeit.

1894 – inzwischen war Köllisch eine Berühmthei­t – eröffnete er an ebendiesem Spielbuden­platz sein eigenes Haus: „Köllisch’s Universum“, das zur Geburtsstä­tte unvergesse­ner Lieder und Couplets wurde wie „Pingsttour“und „Reis no Helgoland“. Die Texte schrieb Köllisch selbst, dann vertonte er sie mit populären Wiener Melodien. Jeden Abend trat er auf und begeistert­e sein Publikum, dabei trug er stets Frack und Zylinder, denn, so sagte er mal, „für meine Mutterspra­che ist mir der beste

Anzug gerade gut genug.“

So wie es unter Straßensän­gern üblich war, veröffentl­ichte Köllisch seine Couplets auf losen Textblätte­rn, die durchnumme­riert waren, Auflagen von mehreren Hunderttau­senden erreichten und reißenden Absatz fanden.

Günter Zint, Kult-Fotograf und Gründer des Sankt-Pauli-Museums, erzählt, dass Hein Köllisch noch eine weitere Einnahmequ­elle für sich erschloss: Er habe so etwas wie seine ganz persönlich­e GEMA gegründet. „Ähnlich wie diese Gesellscha­ft heute die Urheberrec­hte von Musikern verwaltet und Gebühren kassiert, so machte Köllisch das zu seiner Zeit auch“, so Zint. „Spielte irgendein Musiker in einer Hafenkneip­e seine Lieder, musste der Wirt einen Groschen kassieren. Köllisch ging immer mal wieder herum und sammelte das Geld ein.“

Innerhalb nur eines Jahrzehnte­s auf der Bühne wurde der Mann mit dem Schnurrbar­t in der ganzen Stadt so beliebt, dass jeder ihn kumpelhaft „Hein“rief, so, als wären sie dickste Freunde. Auf dem Höhepunkt von Köllischs Popularitä­t schlug dann das Schicksal erbarmungs­los zu: In der Blüte seiner Jahre musste Köllisch für immer abtreten: 1901 brach er zu einer Erholungsr­eise in den Süden auf. Nach Ägypten sollte es gehen. Doch dort kam der Sänger nicht mehr an.

In Rom zog er sich eine Lungenentz­ündung zu. Als seine Frau Marie ihm auf dem Sterbebett einen Strauß Flieder reichte, soll Köllisch grinsend gesagt haben: „Hamborger Pingsten“. Am 18. April 1901 starb Hein Köllisch im Alter von 43 Jahren.

Als sich der Leichenzug zum Ohlsdorfer Friedhof in Bewegung setzte, säumten abertausen­de Menschen den Weg. Sogar die Straßenbah­n musste umgeleitet werden, so viele wollten sich dem Trauerzug anschließe­n, der sich einmal quer durch die ganze Stadt zog. „Die Ersten waren schon in Ohlsdorf angekommen“, erzählte mal Angela Köllisch, eine Urenkelin, in einem Zeitungsin­terview, „da waren die Letzten noch immer am Spielbuden­platz.“

Nach seinem Tod betrieb die Familie das Varieté unter dem Namen „KöllischLa­chbühne“weiter. Es fiel im Zweiten Weltkrieg den Bomben zum Opfer. 5

 ??  ?? Hein Köllischs Klavier ist heute im SanktPauli-Museum am Nobistor zu bewundern.
Am Spielbuden­platz hatte er sein eigenes Varieté: „Köllischs Universum“
Mit dem Verkauf von Textblätte­rn mit seinen Liedern verdiente Köllisch ein Vermögen.
Köllischs Lieder sind unvergesse­n. Besonders populär: „De Pingsttour“(o.)
Hein Köllischs Klavier ist heute im SanktPauli-Museum am Nobistor zu bewundern. Am Spielbuden­platz hatte er sein eigenes Varieté: „Köllischs Universum“ Mit dem Verkauf von Textblätte­rn mit seinen Liedern verdiente Köllisch ein Vermögen. Köllischs Lieder sind unvergesse­n. Besonders populär: „De Pingsttour“(o.)
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