Von OLAF WUNDER
Er war witzig, konnte gut singen, hatte Charme. Ein geborener Entertainer – so wie ein Otto Waalkes in unserer Zeit. Oder ein Harald Schmidt. Aber da war noch was anderes, weshalb die Menschen Hein Köllisch in ihr Herz schlossen: Er hatte überhaupt keine Starallüren. Er war kein bisschen arrogant. Er gab den Menschen das Gefühl, einer von ihnen zu sein. Und die spürten das. Sie liebten ihn. Wie sehr, das wurde offenkundig, als er viel zu früh starb und die Fans der Familie am Sarg zuriefen: „Er gehört nicht nur euch, er ist unser!“
Es gibt viele herrliche Anekdoten über den berühmtesten „Sänger von St. Pauli“: Einmal – da war er bereits
Inhaber seines eigenen Varietés am Spielbudenplatz – kam ein neuer Künstler, um sich vorzustellen. Der hielt Köllisch für den Hausmeister und befahl ihm, seine Koffer aufs Zimmer zu bringen. Andere wären stinksauer geworden. Nicht Köllisch. Nachmittags, als der Neuling auf der Bühne vorsprechen sollte und stammelnd anfing, sich für seinen Fauxpas zu entschuldigen, soll Köllisch gesagt haben: „Wieso, das Trinkgeld war ja in Ordnung.“
Heinrich Köllisch, wie er eigentlich hieß, war ein waschechter St. Paulianer. Am Paulsplatz – der später in Hein-Köllisch-Platz umbenannt wurde – kam er 1857 zur Welt. Sein Vater war ein aus Augsburg zugereister Schuhmacher, der es in Hamburg mit der Produktion eines selbst kreierten Schuhpflegemittels, der sogenannten
„Buddelwichse“, zu einiger Bekanntheit brachte.
Der Sohn machte zunächst eine Schlosserlehre und ging als Wandergeselle auf Reisen, erkundete Süddeutschland und die Schweiz. Erst als der Vater starb, kehrte Hein Köllisch zurück in die Heimat, übernahm die elterliche Manufaktur und verdiente sein Geld – mit Schuhcreme.
Nebenbei, nur so zum Spaß, dichtete Köllisch plattdeutsche Lieder und Couplets – und trug sie an seinem Stammtisch in einer Eckkneipe an der Bartelsstraße seinen Freunden vor. Dort fiel er eines Tages dem Inhaber einer Vergnügungsstätte auf, der immer nach neuen Talenten Ausschau hielt und Köllisch sofort engagierte.
Der erste öffentliche Auftritt war am 1. Mai 1892 „Im Siebten Himmel“am Spielbudenplatz. Beim Publikum fanden Köllischs Vorträge so großen Beifall, dass er noch im selben Jahr als „plattdeutscher Humorist und Regisseur“fest engagiert wurde. Er war die große Zugnummer des Lokals und kassierte monatlich 300 Mark Gage. Eine gigantische Summe. Zum Vergleich: Ein Hafenarbeiter musste mit 3 Mark pro Tag auskommen und schuftete dafür 15 Stunden.
Der Spielbudenplatz – er war der Anziehungspunkt von St. Pauli