Jetzt sterben die Einkaufsstraßen
Kultur und Gastronomie als Lösung:
Der Einzelhandel wurde schwer von der CoronaKrise getroffen. Mit den Schließungen beim Warenhaus-Riesen Galeria Karstadt-Kaufhof setzt sich der Negativtrend in der Branche nun fort. Was eine Hiobsbotschaft für Tausende Mitarbeiter ist, könnte sich auch empfindlich auf die Innenstädte auswirken.
Bereits im Mai, vor dem Bekanntwerden der Schließungspläne bei KarstadtKaufhof, warnte Norbert Portz vom Deutschen Städteund Gemeindebund vor einer möglichen „Verödung vieler Innenstädte“.
Jetzt sind die Pläne Realität geworden: Das Unternehmen hat bekannt gegeben, deutschlandweit 62 der 172 Filialen zu schließen. In Hamburg werden nur drei der sieben Warenhäuser überleben. Und auch die Karstadt-Sports-Filialen in der City und in Harburg sollen geschlossen werden.
Doch der Wandel wird sicherlich nicht bei Karstadt haltmachen. „Der stationäre Einzelhandel hat sich schon vorher in einem Strukturwandel befunden“, sagt Brigitte Nolte vom Handelsverband Nord. „Das wurde dann durch die Corona-Krise noch mal beschleunigt.“
Während die Innenstädte leiden, gehen andere Unternehmen gestärkt aus der
Krise hervor – Supermarktketten und Internethändler, so Charles Landry, britischer Stadtplaner und Berater in Politik und Verwaltung, im „Spiegel“-Interview.
Auch das derzeit immer beliebtere Home Office trägt seinen Teil zur innerstädtischen Veränderung bei: Arbeitswege fallen weg, viele bleiben in ihren Wohnvierteln – die Arbeit in den Zentren schwindet, so Landry. Die Mischung macht’s: Wohnorte mit guter Infrastruktur und viel Natur liegen bei jungen Familien und älteren Menschen absolut im Trend. „Die Sehnsucht nach dem Grünen hat sicherlich in Corona-Zeiten noch zugenommen“, sagt Landry.
Durch die Möglichkeit, einige Tage in der Woche zu Hause arbeiten zu können, wird der Wunsch nach einem Haus mit Garten immer realistischer. Gerade die Vororte, auch rund um Hamburg, würden davon profitieren. Der Trend zum Home Office trägt also zur Verödung der Innenstädte bei: „Wenn wir nicht gegensteuern, wird sich eine entsetzliche Leere in der Innenstadt ausbreiten“, sagt Landry.
Brauchen wir denn noch Innenstädte? – Ja, „wir brauchen sie!“, sagt der Berater deutlich. Die Innenstädte seien Teil der Stadtgemeinschaft, sie schaffen eine gemeinsame Identität. Ein neutraler Treffpunkt für Menschen aller Stadt
viertel und sozialen Schichten als Begegnungsort zwischen Geschäften, Theatern, Bibliotheken und Behörden.
Der Gedanke, dass wir an dem Beginn einer Entwicklung stehen, die die Innenstadt, wie wir sie kennen, verändern wird, birgt vielleicht auch etwas Positives, so Nolte. Die fast reinen Einkaufsstraßen wird es wahrscheinlich bald nicht mehr geben. „Der städtische Einzelhandel muss sich verändern. Viele Händler müssen sich fragen, wo ihre jeweiligen Stärken liegen“, so Nolte.
Für den Erhalt der Innenstädte fordert Landry die europäischen Städte dazu auf, sofort mit der Sammlung von Ideen zu beginnen. „Wir müssen evaluieren, was eigentlich gut war an der Zeit der Pandemie – und was Menschen während des Shutdowns positiv erlebt haben.“
Dadurch könnte das Angebot in der City auf lange Sicht spannender werden, denkt auch Brigitte Nolte. Ein teilweiser Leerstand und ein Rückzug von beispielsweise großen Warenhäusern kann auch bedeuten, dass mehr Räume für speziellere Gastronomieund Kultureinrichtungen zur Verfügung stehen. Das könnte die Innenstadt, auch in Hamburg, aufwerten und beleben.