Hamburger Morgenpost

„Erst wenn der letzte Baum gerodet, der letzte Fluss vergiftet, der letzte Fisch gefangen ist, werdet ihr feststelle­n, dass man Geld nicht essen kann.“*

Es wird zu wenig nachgepfla­nzt. Der Senat gelobt Besserung

- Von TILL STOPPENHAG­EN und MIKE SCHLINK

Jahrzehnte­lang hat sich Hamburg gerühmt, die grünste Großstadt des Landes zu sein. Und was ist daraus geworden? Mit einer Großen Anfrage fühlt die CDU der Hamburger Regierung auf den Zahn, prangert den immer kleiner werdenden Baumbestan­d an. Und der Senat? Der gelobt kleinlaut Besserung – pikant angesichts der Tatsache, dass sich seit 2015 die Grünen die Macht mit der SPD teilen.

In dieser Zeit ging die Zahl der Straßenbäu­me in Hamburg nämlich um 3495 zurück: 10 649 Exemplare wurden gefällt, aber nur 7154 nachgepfla­nzt. Angesichts von mehr als 220 000 Straßenbäu­men sowie rund 600000 Bäumen in Parks und Grünanlage­n keine dramatisch­en Zahlen. Für eine Stadt, die seit fünf Jahren von einer Öko-Partei mitregiert wird, allerdings auch kein Ruhmesblat­t.

„2015 hatten die rot-grünen Koalitionä­re noch vereinbart, das Nachpflanz­defizit zu ,beheben‘ und den Straßenbau­mbestand ,zu erhalten‘“, erinnert Hamburgs BUND-Chef Manfred Braasch. Das Ziel stand sogar im Koalitions­vertrag – wurde jedoch nicht erreicht.

„Der Senat sieht die Abnahme des Straßenbau­mbestandes mit großer Sorge“, heißt es in der Antwort auf die Große Anfrage. „Um dieser Entwicklun­g entgegenzu­wirken, wird der Senat seine Bemühungen zum langfristi­gen Schutz und Erhalt der Straßenbäu­me und hier insbesonde­re zum Schutz des Bestands an Altbäumen intensivie­ren.“Auch das wurde im – neuen – Koalitions­vertrag festgehalt­en. „Aber Papier ist bekanntlic­h geduldig“, so Braasch.

Er erwartet, dass Umweltsena­tor Jens Kerstan (Grüne) nach der Sommerpaus­e Personal und finanziell­e Mittel für Hamburgs Baumschutz­programm präsentier­t – und mahnt gleichzeit­ig, dass die Behörde die Dunkelziff­er an gefällten Bäumen in unserer Stadt in ihren Plänen berücksich­tigen muss. Hunderte Bäume würden jährlich auf privatem Grund gefällt, ohne dass dies statistisc­h erfasst wird.

Tatsächlic­h sind die Exemplare an Hamburgs Straßen die einzigen, über die genau Buch geführt wird – im Straßenbau­m-Kataster. Gefällt werden sie in der Regel nach Stürmen, aufgrund von Wohnungs- oder Straßenbau­maßnahmen oder weil der Straßen-Stress mit all dem Lärm und all den Abgasen sie krank gemacht hat. Bestes Beispiel ist aktuell der Umbau am Ballindamm. Um den Verkehr neu zu ordnen, mehr Platz für Radfahrer und Fußgänger zu schaffen und die Aufenthalt­squalität zu verbessern, wurden dort mehrere Linden gefällt – aber nicht eins zu eins nachgepfla­nzt.

„Die alten Bäume wurden in Trichter gepflanzt, konnten sich nicht weiter entfalten“, sagte Falko Droßmann (SPD), Bezirksamt­sleiter Hamburg-Mitte jüngst bei

einem Presseterm­in vor Ort. Die neuen Bäume könnten nun gesund wachsen. Ein Defizit gibt’s vor Ort dennoch – dabei weist Mitte im Vergleich zu den anderen Bezirken als einziges eine positive Baum-Bilanz auf. Dort stehen jetzt 1246 Straßenbäu­me mehr.

Trostloser sieht’s dem Kataster nach in Wandsbek aus – seit 2015 hat der Bezirk 1269 Straßenbäu­me eingebüßt. In Altona sind es 1036, in Bergedorf genau 1000, in Eimsbüttel 678. Der Bezirk HamburgNor­d hat 428 Exemplare verloren, Harburg 330.

Noch nicht berücksich­tigt sind die Zahlen für 2019, was der Senat mit der der Corona-Krise erklärt. In der Regel lägen Jahresabsc­hlussbilan­zierungen

Mitte bis Ende des 2. Quartals für das jeweils vergangene Jahr vor.

Wenn in Parks gefällt wird, dann üblicherwe­ise, weil sich die Wurzeln und Kronen mehrerer Bäume gegenseiti­g in die Quere kommen. Nachgepfla­nzt wird laut Senat nur in Ausnahmefä­llen.

Bei Fällungen auf Privatgrun­dstücken ist der Eigentümer

verpflicht­et nachzupfla­nzen. Ist das nicht möglich, wird eine Pauschale von 1000 Euro fällig, die sich an den durchschni­ttlichen Kosten für einen neuen Baum orientiert.

Die Kosten für eine Straßenbau­mpflanzung liegen der Senatsantw­ort zufolge zwar deutlich über diesem Betrag: Die Regierung geht von durchschni­ttlich 1200 Euro bis 2500 Euro aus und sie können „im Extremfall bis zu 4000 Euro pro Baum betragen“. Allerdings ist in den Pflanzkost­en auch die Fertigstel­lungs- und Entwicklun­gspflege für in der Regel drei Jahre enthalten.

Diese Ersatzzahl­ungen werden unter anderem in die Neupflanzu­ngen investiert, Überschüss­e werden für andere Grünarbeit­en verwendet. Insgesamt kamen so seit 2015 rund 7,5 Millionen Euro zusammen. Die Zahlen beziehen sich allerdings nur auf fünf Bezirke – für Bergedorf und Eimsbüttel gibt es keine Aufstellun­gen über diese Einnahmen.

Wie viele Bäume von dem Geld tatsächlic­h neu gepflanzt wurden, konnte der Senat nicht sagen – es wären zu viele Akten zu wälzen gewesen. „Klar ist, dass jeder fehlende Baum auf Kosten des Klimaschut­zes und der Luftreinha­ltung geht“, so Braasch.

Die Umweltbehö­rde verweist allerdings darauf, dass Hamburg trotz Baumfällun­gen grüner wird. „Alle Hamburger Bäume wachsen, bilden Jahr für Jahr mehr Stammmasse und Astwerk – es findet also trotz einiger Fällungen und Pflegemaßn­ahmen in Summe ein Aufwuchs an Biomasse statt“, so Sprecher Jan Dube.

Um Hamburgs grüne Lunge steht’s demnach gar nicht so schlecht – und sie bekommt sogar einen kräftigen Flügel dazu. Für 55 Millionen Euro soll in den kommenden Jahren ein gigantisch­er Park mit zahlreiche­n Bäumen in der Innenstadt entstehen. Der Alster-Bille-Elbe-Grünzug soll sich von der Alster durch St. Georg, Hammerbroo­k und Rothenburg­sort bis zu den Elbbrücken ziehen und neuen Raum für zahlreiche Bäume bieten.

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* Weissagung, die vom indigenen Volk der Cree stammen soll
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Die Zahl der Straßenbäu­me in Hamburg ist in den vergangene­n Jahren kontinuier­lich gesunken.

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