Staatsfeinde sind brutaler
Die politischen Ränder begehren laut Verfassungsschutzbericht auf
BERLIN - Das politische Klima in Deutschland wird ungemütlicher: Die Zahl der Rechtsextremisten steigt, ebenso wie ihre Gewaltbereitschaft. Das geht aus dem Verfassungsschutzbericht 2019 hervor, den Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) und der Präsident des Bundesamts für Verfassungsschutz, Thomas Haldenwang, am Donnerstag in Berlin vorstellten.
Es sind Zahlen, die frösteln lassen: Aktuell zählt der Verfassungsschutz 32 080 Rechtsextremisten, rund 8000 mehr als bisher. 13 000 von ihnen gelten als gewaltbereit. Die Anzahl rechtsextremistischer Straftaten stieg 2019 um 9,7 Prozent auf mehr als 21000. Haldenwang äußerte sich besorgt über die „gestiegene Gewaltbereitschaft in nahezu allen Phänomenbereichen“. Die Hemmschwelle sinke kontinuierlich, betonte er.
Seehofer betonte, dass vom Rechtsextremismus die größte Bedrohung ausgehe – und sich keine Bundesregierung ihm so intensiv gewidmet habe wie diese. So habe man den Verfassungsschutz und das Bundeskriminalamt personell massiv aufgestockt. Man habe ein Gesetz gegen Hasskriminalität im Internet verabschiedet und das Waffenrecht verschärft. Der Minister verwies schließlich darauf, dass die Sicherheitsbehörden nach Rechtsextremisten im öffentlichen Dienst bis in die eigenen Reihen hinein forschten und er persönlich eine ganze Reihe rechtsextremistischer
Gruppen verboten habe.
Zugleich vergaßen Seehofer und Haldenwang den Linksextremismus nicht. Es gab einen Anstieg der Straftaten in diesem Bereich um 39,5 Prozent auf rund 6449. Der Verfassungsschutzchef erinnerte an Angriffe auf Polizisten oder eine Immobilienmaklerin, erklärte Leipzig zum Hotspot der Szene und erläuterte, dass seine Behörde die Plattform Indymedia als Verdachtsfall eingestuft habe. Dort werden Aufrufe zu Aktionen und Bekennerschreiben veröffentlicht. Auch der Islamismus mit immer noch 650 Gefährdern war ein Thema – wobei der „Islamische Staat“, wie Haldenwang schilderte, seine Kämpfer beizeiten dazu aufgerufen habe, sich angesichts der Corona-Pandemie an die Hygieneregeln zu halten.
Neu war bei Vorstellung des Verfassungsschutzberichts die AfD – genauer deren rechtsextremistischer „Flügel“, den der Verfassungsschutz kürzlich zum Beobachtungsobjekt erklärt hatte. Die etwa 8000 „Flügel“-Mitglieder werden in dem Bericht nämlich offiziell den Rechtsextremisten zugeschlagen. Daraus ergibt sich deren Wachstum von rund 24 000 auf rund 32 000. Haldenwang sagte, man werde darauf achten, wie die Mitglieder des inzwischen offiziell aufgelösten „Flügels“auf die Gesamtpartei wirkten – und ob man daraus weitere Maßnahmen ableiten müsse. Der Druck des Inlandsgeheimdienstes auf die AfD wächst.
Dass die Vorstellung des Berichts weniger gewohnheitsmäßig wirkte als sonst, ergab sich überdies aus dem zu Wochenbeginn artikulierten Nein des Bundesinnenministers zu einer Studie über Racial Profiling, also anlasslose Kontrollen von fremd wirkenden Menschen durch die Polizei. Seehofer: „Gehen Sie mal davon aus, dass wir nicht einmal halb so schlimm sind, wie wir eingeschätzt werden.“
Wir sind nicht einmal halb so schlimm, wie wir eingeschätzt werden. Horst Seehofer (CSU), Bundesinnenminister