Wenn Kühe aufs Klo gehen — Forscher wollen stubenreine Rinder
Die Ausscheidungen sind problematisch für Tier und Umwelt – sind Latrinen die Lösung?
In keiner anderen deutschen Stadt sind jemals so viele Menschen in so kurzer Zeit auf so grauenvolle Weise getötet worden wie in Hamburg. Die „Operation Gomorrha“, der über zehn Tage währende Angriff britischer und amerikanischer Bomber, der gestern vor 77 Jahren begann, war so verheerend, dass manche Historiker Vergleiche ziehen zu dem Atombombenabwurf auf Hiroshima 1945. In Hamburg kamen während der „Operation Gomorrha“im Juli 1943 zwischen 35000 und 50000 Bürger ums
Leben. Die genaue Zahl kennt niemand.
Unfassbare Szenen haben sich abgespielt. Vor allem in Hammerbrook und Rothenburgsort, denn die beiden Arbeiterstadtteile traf es besonders hart. Überschüttet mit Phosphor und brennend wie lebende Fackeln sprangen die Menschen in die Fleete, was aber nichts brachte, denn sobald sie wieder auftauchten, loderten die Flammen weiter.
Andere verbrannten oder erstickten, weil das Flammenmeer die Luft auf 1000 Grad erhitzte und ihr allen Sauerstoff entzog. Die, die in den Kellern Schutz gesucht hatten, wurden entweder verschüttet oder bekamen keine Luft mehr. Ihre Körper dörrten zu Schrumpfleichen zusammen.
Andere wurden vom Heizungswasser, das aus berstenden Rohren schoss, verbrüht. Wieder andere blieben im flüssigen Asphalt stecken wie eine Motte im heißen Kerzenwachs. Grauenhaft.
Genauso, wie es im 1. Buch Mose, Kapitel 19, geschrieben steht: „Da ließ der Herr Schwefel und Feuer regnen vom Himmel herab auf Sodom und Gomorrha und vernichtete die Städte und die ganze Gegend und alle Einwohner der Städte und was auf dem Lande gewachsen war.“
Dass die Angriffe den Codenamen „Operation Gomorrha“trugen, war also kein Zufall. Arthur Harris, der Chef des britischen Bomberkommandos, wollte Rache nehmen für die Zerstörung des mittelenglischen Coventry im November 1940 durch die deutsche Luftwaffe. Hamburg von der Landkarte zu radieren, war seine erklärte Absicht. Ganz gezielt ließ er Wohngebiete angreifen, um die Moral der Bevölkerung zu treffen.
Der Angriff war gut vorbereitet: Damit aus der Hansestadt ein Gomorrha wird, hatte die britische Luftwaffe ihre Bombentechnologie seit den 30er Jahren immer weiter perfektioniert. Erst ließen die Flugzeuge
Sprengbomben fallen, die Dächer, Wände und Mauern durchschlugen, dann folgten die Brandbomben, die nun jede Menge Nahrung fanden.
Die extreme Hitze im Sommer 1943 tat ihr Übriges. Zigtausende kleiner und größerer Feuer vereinten sich innerhalb kürzester Zeit zu einem einzigen apokalyptischen Flammenmeer. Die erhitzte Atmosphäre schoss wie in einem Kamin nach oben. Gleichzeitig entstand am Erdboden ein Unterdruck, der alles mitriss – der Feuersturm. Ein Orkan, der glühend heiß durch die Straßen fegte. Wer sich aufzurichten versuchte und nichts zum Festhalten hatte, flog einfach davon.
Haustiere und manche Nutztiere schauen, dass sie mit ihren Ausscheidungen nicht weiter konfrontiert sind. Selbst Schweine suchen sich eine abgelegene Stallecke – wenn sie können. Kühe tun das nicht. Forschern in Dummerstorf lässt das keine Ruhe.
Anders als viele Haustiere sind Rinder nicht stubenrein. Ihre Ausscheidungen hinterlassen sie da, wo sie gerade stehen. Das habe negative Folgen für die Umwelt und für die Tiere selbst, sagt Jan Langbein vom LeibnizInstitut für Nutztierbiologie (FBN) in Dummerstorf bei Rostock. Die Ausscheidungen von Urin und Kot seien klimarelevant und könnten bei Körperkontakt zu Krankheiten von Klauen und Eutern führen. Zudem stellten die Ausscheidungen einen erheblichen Reinigungsaufwand dar.
Zusammen mit Wissenschaftlern aus Auckland (Neuseeland) und Celle hat Langbein untersucht, ob Rinder „stallrein“werden können – wenn sie sich dort bewegen dürfen. Eine Studie legt nahe, dass mithilfe von assoziativen Lernmethoden ein „erfolgreiches Latrinentraining“möglich ist. Denn die Tiere verfügten über die Intelligenz und die neurophysiologischen Grundlagen, die ein solches Training ermöglichen.
„Wir halten es auch im Interesse der Milchviehhalter grundsätzlich für sinnvoll, die Forschung, wie Ammoniak im Stall reduziert werden kann, breit aufzustellen“, sagt der Sprecher des Bundesverbands Deutscher Milchviehhalter, Hans Foldenauer. Dazu müssten auch unterschiedliche Methoden untersucht werden, die nicht zunächst die Investition in teure Technik voraussetzen.
Trainiert wurde der „sehr komplexe Urin-Ausscheidungsvorgang“in Dummerstorf in eigens für die Kälber errichteten
Latrinen. Es gab fünf Versuchsdurchgänge mit jeweils acht bis zehn Tieren im Alter von fünf Monaten bei Versuchsbeginn. Diese Latrinen waren mit einem durchlässigen grünen Belag versehen, der gleichzeitig als Spritzschutz fungierte, erläutert Langbein. Schieden die Tiere außerhalb der Latrine ihren
Urin aus, wurden sie mit einer kurzen Dusche bestraft. Gingen sie dagegen in die Latrine, wurden sie für das von den Forschern gewünschte Verhalten belohnt, beispielsweise mit 40 Gramm gequetschter Gerste.
Das Ergebnis sei positiv gewesen. „Zuletzt haben nach neun bis zehn Trainingstagen elf von 16 Kälbern das Lernkriterium erreicht, und 76 Prozent aller Urinationen fanden in der Latrine statt.“Nun gehe es um die Praxistauglichkeit der Methode, erklärt Langbein. Sollte es gelingen, die Intelligenz der Tiere für eine Einrichtung von Kuhtoiletten in der Praxis zu nutzen, würden alle profitieren: „die Kühe, die Tierhalter und die Umwelt“, sagt Projektkoordinator Lars Schrader vom Institut für Tierschutz und Tierhaltung in Celle.
Ob eine Kuhtoilette allerdings wirklich praktikabel umsetzbar ist, ist für die Milchviehhalter noch fraglich, sagt Foldenauer. So müsste geklärt werden, wie sich die Tiere bei einer kombinierten Stall- und Weidehaltung verhalten, was passiere mit zugekauften Tieren oder wie lange dauere ein derartiger Lernprozess. „Wie viel Personalaufwand ist dafür nötig?“, fragt Foldenauer aus der Sicht der Praktiker.
Sammy Deluxe ist nicht nur ein leidenschaftlicher Rapper, er hat auch eine ausgeprägte Leidenschaft für Brillen. Deshalb hat der 42-Jährige jetzt zusammen mit „Edel-Optics“eine eigene Brillen-Kollektion rausgebracht: „VOOY – Vision of the other you“besteht aus acht Modellen. Mit der MOPO hat er aber nicht nur über seine Brillen-Vernarrtheit, sondern auch über Alltagsrassismus gesprochen.
EinhalbesJahrhatSamyDeluxe mit seinen Partnern am Design der Gestelle gearbeitet. „Viele Brillen passen zu den Klamotten, die ich auch trage“, erklärt der Hamburger Rapper bei der Präsentation der Modelle. „Das sind vor allem Sachen in NavyGrün.“Auf jedem Sondermodell steht klein der Schriftzug „deluxe“. Die Brillen-Verliebtheit des
Rappers ist nicht neu, er selbst wollte eine Kooperation mit einem Optiker starten. Jetzt wolle man sehen, wie die Samy-Deluxe-Modelle angenommen werden.
Dann nimmt das Gespräch eine Wendung und Samy Deluxe spricht über sein emotionales Instagram-Statement, das er Anfang Juni auf der Plattform postete. Nach dem gewaltsamen Tod von George Floyd etablierte sich auch in Deutschland #blacklivesmatter im Netz. Unter diesem Schlagwort wird Rassismus in allen Lebensbereichen angeprangert. Schnell entstand die Gegenbewegung #AllLivesMatter, die häufig Unterstützung von Rechten bekam.
„Es war einfach interessant zu sehen, dass die ganze Welt auf ein Thema schaut, mit dem man sich schon so lange beschäftigt“, sagt der Rapper. „Der Hashtag #blacklivesmatter setzt sehr niedrig an – „matter“ist kein Übernahme-Statement. Und dann gibt es auf einmal Gegenwind auf diesen Hashtag von vermeintlich weltoffenen und liberalen Leuten, die sich selbst nicht als Rassisten bezeichnen würden.“Für ihn verwässere der #AllLivesMatter-Hashtag den eigentlichen Diskurs.
„Es wird erst besser, wenn einzelne Gruppen über ihre Probleme reden können, ohne dass sie von anderen Gruppen bevormundet werden“, stellt Deluxe klar. „Ich fand das superignorant, dass der Hashtag so umformuliert werden sollte, dass es für die Mehrheitsgesellschaft auch okay wäre.“Deshalb habe er das Gefühl gehabt, etwas dazu sagen zu müssen. Aus der ursprünglich kurz geplanten Botschaft, sei dann doch ein über neunminütiges Video geworden.
„Ich habe sehr viel Feedback dazu bekommen“, fährt er fort, „einige haben mir geschrieben, dass sie durch dieses Statement die eigentliche Problematik an #AllLivesMatter erst verstanden haben.
Wir wurden so erzogen, dass unsere Eltern gesagt haben, wir sind alle gleich. Wenn eine Gruppe jetzt sagt, dass das gar nicht stimmt – weil wir jeden Tag ungleich behandelt werden – dann kann das von der Mehrheitsgesellschaft nicht einfach verneint werden, nur weil sie glauben wollen, dass wir alle gleich sind.“
In derselben Woche hatte der Rapper auch einen Song veröffentlicht: „I Can’t Breathe“, der auf YouTube mittlerweile mehr als 200 000 Aufrufe hatte. „Das war für mich auch eine Art Therapie, diesen Song in der Woche zu machen“, so Deluxe. Sein 19jähriger Sohn lebt in den Staaten, mit ihm habe er sich auch viel über über das Thema via Facetime ausgetauscht.
„Rassismus ist überall da ein Problem, wo keine Diversität repräsentiert wird – und das ist überall“, erklärt der Rapper. „Egal wo du guckst – in welcher Firma, in welchem Bereich der Gesellschaft. Je weiter oben in den Chefetagen, desto monokultureller ist es dort.“
Und das könne man nicht nur auf die USA beziehen, sondern auch auf Deutschland und jedes andere Land. „In Deutschland haben schwarze Menschen Statements gesetzt zu Sachen, die ihnen wichtig sind. Es ist eine wichtige Zeit und es geht darum, dass sich systematisch Dinge ändern müssen.“
Von STEPHANIE LETTGEN
Das Ziel der Elbliberalen vor der Hamburger Bürgerschaftswahl war hoch, das Ergebnis ernüchternd. Inzwischen sitzt Anna von Treuenfels-Frowein ganz allein für die FDP im Parlament. Einsam fühlt sie sich nicht, betont die Politikerin. Doch sie will mehr Rechte.
Nach dem schlechten Abschneiden ihrer Partei bei der Hamburger Bürgerschaftswahl sitzt die FDP-Abgeordnete Anna von Treuenfels-Frowein allein im Parlament. Seit vier Monaten ist die 58-Jährige nun ohne Fraktion. Keine leichte Aufgabe. „Wenn man da ganz allein ist, dann muss man schon eine gewisse Kämpfermentalität mitbringen – und auch mal Gegenwind aushalten“, sagt die Juristin. Ihre Zwischenbilanz: „Im Moment läuft es sehr gut.“Doch eines ärgert sie: Sie habe zu wenig Möglichkeiten, sich in die aktive parlamentarische Arbeit einzubringen. „Da lasse ich nicht locker.“
Rückblick: Seit 2011 ist Treuenfels-Frowein FDP-Abgeordnete in der Bürgerschaft, 2017 wird sie neben Michael Kruse Fraktionsvorsitzende. Im Herbst 2019 geht sie als Spitzenkandidatin ins Rennen und steckt klare Ziele: Ein zweistelliges Ergebnis bei der Bürgerschaftswahl und Regierungsbeteiligung. Doch es kommt anders. „Bürgermeister Tschentscher hat damit Wahlkampf gemacht, eine grüne Bürgermeisterin zu verhindern. Da haben sich manche FDP-Stammwähler für ihn entschieden“, sagt sie zu den Gründen der Wahlschlappe.
Dann folgt Anfang Februar das politische Beben in Thüringen. Dort hat sich FDP-Kandidat Thomas Kemmerich von CDU und AfD zum Ministerpräsidenten mitwählen lassen. Nach einer langen Zitterpartie steht nach der Hamburger Wahl Ende Februar fest: Die FDP hat den
Wiedereinzug in das Parlament knapp verpasst. Allerdings gewinnt Treuenfels-Frowein in ihrem Wahlkreis Blankenese ein Mandat und nimmt an. „Ich schrecke vor Dingen, die absehbar schwer werden, nicht zurück. Das fordert mich geradezu heraus“, sagt die dreifache Mutter. Das rot-grüne Bündnis wird fortgesetzt.
Treuenfels-Froweins Start in der Bürgerschaft fällt in die Corona-Pandemie. Um Mindestabstände einhalten zu können, ziehen die Abgeordneten schließlich in den Festsaal um. „Durch die Corona-Krise ist es ja für alle eine Ausnahmesituation, in der wir gestartet sind. Das hat es mir etwas vereinfacht“, berichtet Treuenfels-Frowein. An ihre erste Rede ohne Unterstützung von ihrer Fraktion kann sie sich noch genau erinnern. „Das war schon ein eigenartiger Moment, da so alleine nach vorne zu treten“, sagt sie. „Aber ich wurde von politischen Mitbewerbern nett begleitet.“Natürlich vermisse sie ihre Fraktion, aber einsam fühle sie sich nicht. „Ich bin gut vernetzt.“
Treuenfels-Frowein kommt nach eigenen Worten sehr zugute, dass sie sich als Spitzenkandidatin in alle Themen eingearbeitet hat. „So bin ich für alle Bereiche sprechfähig.“Den Schwerpunkt ihrer Arbeit im Parlament will sie auf Wirtschaft, Bildung und Rechtsstaat legen.
Unzufrieden ist TreuenfelsFrowein aber mit ihren Rechten. „Es muss einen Unterschied machen, ob ich als fraktionslose Abgeordnete direkt gewählt wurde oder ob ich im Laufe der Legislaturperiode aus meiner Fraktion fliege oder austrete und als Abgeordnete weiter im Parlament sitze.“Sie müsse ein Instrumentarium
bekommen, um sich aktiv in die parlamentarische Arbeit einbringen zu können.
Nach Angaben eines Sprechers der Bürgerschaft steht fraktionslosen Mitgliedern gemäß Geschäftsordnung zu, in zwei Ausschüssen mitzuarbeiten. Sie hätten dort jedoch kein Stimmrecht. „Das ist sicher nicht im Sinne der Bürger, die mich direkt entsandt haben“, kritisiert Treuenfels-Frowein. Sie fordert zudem ein Antragsrecht. „Bislang braucht man dafür fünf Abgeordnete.“
Zudem möchte sie mehr Redezeit: „Derzeit habe ich in der Aktuellen Stunde lediglich starre fünf Minuten Redezeit, die ich nur zu einem Thema nutzen darf, und für die Antragsdebatten weitere fünf Minuten.“Ihre Vorstellung: „Sieben Minuten in der Aktuellen Stunde und acht Minuten für die Antragsdebatten.
Ich möchte meine Redezeit flexibel einteilen können.“Sie wolle weiterhin Gespräche dazu führen.
„Der von der Verfassung gesetzte Rahmen sieht vor, dass sich die Redezeit der Abgeordneten und ihr Gewicht im Parlament die Waage halten müssen“, sagt dazu ein SPD-Sprecher. „Diesem Umstand trägt die aktuelle Geschäftsordnung der Bürgerschaft Rechnung und setzt damit die gelebte Praxis der letzten Jahre fort.“
Das große Ziel der FDP-Abgeordneten und ihrer Partei: Bei der nächsten Bürgerschaftswahl soll der Wiedereinzug ins Landesparlament gelingen. „Eine weltoffene Metropole wie Hamburg braucht unbedingt eine starke liberale Stimme im Parlament“, ist Treuenfels-Frowein überzeugt. Bis dahin will sie das sein – auch allein.
Das „Lütt Liv“in Barmbek hat alles, was sich ein Gast wünscht. Nicht nur einen ansprechend eingerichteten Gastraum in der alten Fabrikhalle der Zinnschmelze auf dem Gelände vom Museum der Arbeit, sondern auch eine ausgezeichnete Küche, freundliches Personal und einen idyllischen Biergarten, in dem abends die Lichterketten leuchten.
In Corona-Zeiten hat sich das Team einiges einfallen lassen, damit der Betrieb weiter gut läuft. So wird der Mittagstisch jetzt täglich aus einem alten Pferdeanhänger heraus verkauft. Zum originellen Food Truck umgebaut gibt es täglich handgemachte Pizza. Ab 17 Uhr können Gäste auch im Restaurant essen.
Wraps mit Feta oder Bio-Hähnchen, Burger oder Ziegenkäsemousse mit eingelegten Feigen – alles frisch und mit regionalen Zutaten – holen sich Besucher am Tresen ab. Das „LüttLiv“-Team arbeitet mit der SpeicherstadtKaffeerösterei, der Bio-Fleischerei Fricke und dem „Vineyard“Weinhandel zusammen. Klar, dass auch die Brote und Kuchen selbst gebacken sind und nur hausgemachte Limonade ins Glas kommt. Ziemlich großartig für ein „Lütt Liv“– ein kleines Leben.
Von WOLFGANG SCHMIDT und CARSTEN REHDER
Kalkfontein, Karasland, Elisabethbay – nach Nordfriesland klingen die Namen eher nicht. So heißen aber Bauernhöfe an der Nordseeküste bei Husum. Sieben in der Gemeinde Reußenköge sind benannt nach Bahnstationen im früheren Deutsch-Südwestafrika, heute Namibia. Für deren Bau verantwortlich war Sönke Nissen, der hier in der Nähe 1870 geboren wurde. Ein 1926 fertiggestellter Koog trägt seinen Namen. Nissens historische Rolle erhitzt jetzt die Gemüter. Trug er als Bahnbau-Ingenieur der deutschen Kolonialmacht zum Völkermord an Herero und Nama Anfang des 20. Jahrhunderts bei?
Für Historiker Marco L. Petersen von der Dänischen Zentralbibliothek in Flensburg ist das erwiesen. Er hat wochenlang im namibischen Staatsarchiv geforscht und einen fast 500-seitigen Sammelband zur regionalen Kolonialgeschichte herausgegeben. „Die beim Bahnbau eingesetzten Zwangsarbeiter waren Kriegsgefangene, die von Nissens Firma in ein Lager gesteckt wurden“, schildert Petersen. „Die Zustände waren unmenschlich, die Menschen starben wie die Fliegen.“Das ganze Thema ist umstritten und emotional.
„Man muss das in seiner Zeit sehen“, sagt Johannes Volquardsen (80), bis 2013 zehn Jahre lang Bürgermeister. „Nissen hat das System nicht gemacht; er hat die Arbeiter arbeiten lassen, aber wahrscheinlich hatte er keine andere Wahl.“Er werde auch die Arbeiter gut behandelt haben: „Sonst wäre es nicht zu schaffen gewesen, den Bahnbau wesentlich vor der geplanten Zeit fertigzustellen.“Auf Nissens Bestreben sei auch ein Krankenhaus gebaut worden.
„Viele Belege zeigen, dass er das System für seinen Reichtum ausgenutzt und es gefördert hat“, betont Historiker Petersen.
Nissen verdiente nicht nur als Bauingenieur sein Geld: Er wurde mit an der Bahntrasse gefundenen Diamanten reich, nachdem er Schürfrechte erworben hatte. Von 2014 zur Arbeit gezwungenen Herero und Nama seien 1359 von Januar 1906 bis Juni 1907 gestorben, sagt Petersen. „Die Mortalitätsrate beträgt also 67 Prozent.“Das sei alles belegt. Nissen habe entsprechende Belege unterschrieben.
Extrem harte Arbeit, mangelhaftes Essen, raues Klima am Atlantik – die Herero und Nama kamen aus dem viel wärmeren Landesinneren – und in der Folge Krankheiten nennt Petersen als Todesursachen.
„Es gab mit Sicherheit Opfer“, sagt Volquardsen in seinem Vaterhaus im Sönke-Nissen-Koog. Die großen weißen Häuser, alle mit hellgrünen Dächern, fallen sofort auf in dem flachen Landstrich mit den satten Wiesen, Windanlagen und vielen Schafen. „Gewiss waren die Arbeitsbedingungen nicht gut.“Aber im Ruhrgebiet oder beim Bau des Nord-Ostsee-Kanals seien sie es auch nicht gewesen.
Der Koog, in dem die sieben „Namibia-Häuser“stehen, war nach Nissen benannt worden, weil der Nordfriese den Bau erheblich mitfinanziert hatte. Das
Geld der heimischen Initiatoren reichte nicht. Schließlich wurden 28 Höfe gebaut. „Sie sollten so groß sein, dass in die Scheunen eine ganze Ernte passt“, erzählt Volquardsen. „Und sie sollten wegen der noch fehlenden Tragfähigkeit des neu eingedeichten Bodens leicht und nicht so teuer sein. Denn der neue Deich hatte mehr gekostet als eingeplant.“Der Kieler Architekt Heinrich Staav sei nach anfänglichem Kopfschütteln davon überzeugt worden, die Häuser als Holzständerbau mit Blecheindeckung zu bauen.
Nissens Engagement, seine Profession als Ingenieur (Peter
Die Fans sind mächtig gespannt auf ihn. Nach seinem Leihjahr bei Hansa Rostock werden Aaron Opoku große Fortschritte bescheinigt, die der Flügelstürmer nun beim HSV unter Beweis stellen will. Der 21-Jährige kommt nicht nur mit ganz viel Selbstvertrauen in den Volkspark zurück – sondern auch frisch tätowiert.
Am Sonnabend ließ sich Opoku ein neues Kunstwerk auf seinen linken Oberschenkel tätowieren und posierte damit stolz auf Instagram. Der gebürtige Hamburger, der in Billstedt aufwuchs, entpuppte sich dabei als großer MangaFan. „Godspeed“heißt die Figur aus der japanischen Comic-Welt, die über Superkräfte verfügt. Beweglichkeit und Schnelligkeit sind die Attribute, die sie auszeichnen. Passt zu Opoku, dessen Stärken auf dem Platz vor allem im Dribbling liegen.
Zeigen soll er das beim HSV ab übernächster Woche. Dann stehen die ersten Trainingseinheiten im Volkspark an. Für Opoku geht es darum, nun auch in Hamburg nachzuweisen, was er in Rostock andeutete: dass er das Zeug dazu hat, dem HSV in der Zweiten Liga zu helfen.
Die nicht immer unkomplizierten Verläufe seiner Tätowierung dürfte er bis dahin so oder so in den Griff bekommen haben. Das war in der Vergangenheit nicht bei jedem HSVProfi der Fall. 2011 ließ sich Eljero Elia mitten in der Saison den Brustbereich verzieren. Die Wunde entzündete sich, Elia fiel erst mal aus – und gab später an, er habe sich am Knöchel verletzt. Opoku wird das nicht passieren, er war rechtzeitig dran. Schnelligkeit ist halt sein Ding.
Gerade mal dreieinhalb Wochen ist es her, da saßen sie noch zusammen an einem Tisch und diskutierten über mögliche Neuverpflichtungen für den HSV. Nun ist Dieter Hecking zu Jonas Boldts Gegenspieler geworden. Aus dem früheren Hamburger Trainer wird der Sportvorstand des 1. FC Nürnberg – und für den HSV damit zugleich ein Konkurrent auf dem Transfermarkt.
Noch sind die Verträge nicht unterschrieben, klar ist jedoch schon, was drinstehen soll. Hecking wird einen Dreijahresvertrag beim Club erhalten und sattelt damit um. Nach 20 Jahren als Trainer nun die Vorstandsebene. Damit wird der 55-Jährige zum Gegenspieler von seinem 17 Jahre jüngeren HSV-Pendant Boldt.
Eine Personalie, die durchaus Brisanz in sich birgt. Im Volkspark ist man sich der Tatsache bewusst, dass Hecking gerade nach den intensiven Gesprächen der vergangenen ein, zwei Monate ziemlich genau über die Transferplanungen des HSV Bescheid weiß. Denn da ging es ja noch um eine mögliche Weiterbeschäftigung Heckings als Trainer, nachdem sein Vertrag aufgrund des Nichtaufstiegs ausgelaufen war. Schnappt
Sportvorstand Hecking dem HSV und Boldt nun Spieler weg?
Möglich ist es. Denn beide Vereine fischen in ziemlich gleichen Gewässern. Der FCN, der sich nach einer schlimmen Saison erst in der Nachspielzeit der Relegation gegen Ingolstadt (2:0/1:3) vor dem Abstieg rettete, will künftig wieder in der Spitze der Zweiten Liga mitmischen. Dort sieht sich auch der HSV, wenngleich das Ziel Aufstieg nach zwei vergeblichen Anläufen diesmal nicht mehr offensiv formuliert werden soll.
Immerhin: Dass Leistungsträger des HSV-Kaders trotz Verträge nach
Hecking aktuellen laufender Nürnberg locken kann, ist eigentlich ausgeschlossen. Weil der HSV diesbezüglich in Sachen Perspektive und Bezahlung doch die besseren Argumente auf seiner Seite hat. Anders könnte es auf dem freien Transfermarkt aussehen, wenn beide Vereine um einen Spieler buhlen.
In Kürze legt Hecking in Nürnberg richtig los. Zunächst will er einen neuen Trainer verpflichten (Markus Weinzierl und Dimitrios Grammozis gelten als Kandidaten), dann einen neuen Sportdirektor, der unter ihm arbeiten wird. ExHannover-Manager Jan Schlaudraff und der frühere Paderborn-Boss Martin Przondziono sollen diesbezüglich kein Thema mehr sein. Sobald Heckings Team steht, dürften Nürnberg und der HSV auf dem Transfermarkt zu Rivalen werden.