Eklat um das Literaturfestival
Kiez-Lesung abgesagt:
Das Hamburger „Harbour Front Literaturfestival“hat eine Lesung der umstrittenen Kabarettistin Lisa Eckhart (27) abgesagt. Als Grund werden drohende Proteste gegen ihren Auftritt im „Nochtspeicher“auf St. Pauli angeführt – Kritiker werfen Eckhart vor, rassistische und antisemitische Klischees zu bedienen.
„Die Erektion des schwarzen Glieds braucht alle sieben Liter Blut, über die ein Mensch verfügt.“Dieser Satz stammt von Lisa Eckhart. Gesagt hat sie ihn 2018 bei einem Auftritt in der WDR-Sendung „Mitternachtsspitzen“. Vorher war es um Bill Cosby und die Vergewaltungsvorwürfe gegen ihn gegangen.
Kürzlich ging ein Clip davon auf Facebook viral. Weitere Zitate aus dem Auftritt: „Jetzt plötzlich kommt heraus, den Juden geht's wirklich nicht ums Geld. Denen geht's um die Weiber, und deswegen brauchen sie das Geld“, sagte die Frau aus der Steiermark mit Verweis darauf, dass Harvey Weinstein, Woody Allen und Roman Polanski, denen damals Sexualstraftaten vorgeworfen wurden oder immer noch werden, alle Juden sind.
Neben ihrer streitbaren Arbeit als Kabarettistin ist Eckhart neuerdings Buchautorin. Beim „Harbour Front Literaturfestival“, das seit Jahren im „Nochtspeicher“stattfindet, sollte sie mit ihrem Debütroman „Omama“im Wettbewerb um den mit 10 000 Euro dotierten „Klaus-MichaelKühne-Preis“gegen sieben andere Autorinnen und Autoren antreten. Am 14. September sollte Eckharts Lesung stattfinden. Jetzt wurde sie ausgeladen.
„Keiner der vorgesehenen Autoren wollte mit Lisa Eckhart gemeinsam auftreten“, sagt Nikolaus Hansen vom „Harbour Front Literaturfestival“der MOPO. Deswegen habe das Festival-Team in Absprache mit Eckhart eine Einzellesung im „Nochtspeicher“geplant. Das wollte aber das Team des Clubs plötzlich nicht mehr. Denn nach deren Aussage sollen nicht nur Autoren-Kollegen, sondern auch Teile der linken Szene etwas gegen ihren Auftritt haben.
„Es ist unseres Erachtens sinnlos, eine Veranstaltung anzusetzen, bei der klar ist, dass sie gesprengt werden wird und sogar Sach- und Personenschäden wahrscheinlich sind“, zitiert der „Spiegel“aus einer Mail an die Leitung des Festivals. Im „bekanntlich höchst linken Viertel“werde eine solche Veranstaltung nicht geduldet, auch an Polizeischutz sei nicht zu denken, weil „die Situation dann sogar noch eskalieren und gar zu Straßenscharmützeln führen“könne. In einer öffentlichen Mitteilung schreibt das Team von „Warnungen aus der Nachbarschaft“. Warnungen wovor, sagt es nicht. „Diese Situation ist miserabel, und wir bedauern sie zutiefst. Aber eine Gefährdung der Gäste und Künstler ist für uns nicht akzeptabel“, heißt es vom „Nochtspeicher“.
„Es ging nicht darum Frau Eckhart loszuwerden, sondern den Wettbewerb zu retten. Wir hätten sie trotzdem sehr gern dabei und verhandeln mit dem Verlag“, sagt Nikolaus Hansen vom „Harbour Front Literaturfestival“.
Zunächst hatte man sie aber um freiwilligen Teilnahme-Verzicht gebeten. Dem kam Eckhart nicht nach, nun wurde sie ausgeladen.
Kabarett-Kollege Dieter Nuhr (59) ist darüber empört. Auf seiner Facebook-Seite schreibt er: „Was für ein Skandal! Der Protestmob auf der Straße entscheidet also darüber, wer hier bei uns seine Kunst ausüben darf.“Und weiter: „Wer Lisa Eckhart Antisemitismus vorwirft, muss entweder geistesgestört sein oder böswillig.“Das Auftrittsverbot gehe gegen die künstlerische Freiheit, diesen „totalitären Maßnahmen“müsse man „entgegensteuern“.
Lisa Eckhart sei keine Antisemitin sondern nur „nicht links genug“. Dieter Nuhr hat selbst bereits oft Kritik für seine Auftritte eingesteckt. Mal wegen Witzen über Corona, den Islam oder, zu Hochzeiten von „Fridays for Future“, auf Kosten der damals 16-jährigen Umweltaktivistin Greta Thunberg.
Ein Statement von Lisa Eckhart selbst gab es bisher nicht. Der Verlag ihres Debütromans hat eine klare Haltung: „Eine Autorin mit ihrem ersten Roman zuerst auf die Shortlist für einen Preis zu setzen und sie dann mir nichts, dir nichts von der Präsentation auszuschließen, weil ein Lüfterl durch den Hamburger Hafen weht, ist schon ein starkes Stück“, so Herbert Ohrlinger, Leiter des Wiener Paul Zsolnay Verlags. Er wolle sich nicht vorstellen, zu welchem Ende solche Anwandlungen von Zensurgelüsten führen können.
Hansen entgegnet: „Es ist nicht die Freiheit der Kunst in Gefahr, nur weil eine Veranstaltung nicht stattfindet. Frau Eckhart tritt ja auch im Literaturhaus und auf anderen Veranstaltungen auf.“
Am 3. September soll im Literaturhaus nämlich ebenfalls eine Lesung von Eckhart stattfinden, Hinweise auf Proteste gebe es laut einer Sprecherin nicht. Weitere Sicherheitsvorkehrungen für Eckharts Lesung seien derzeit nicht geplant.
„Demnächst wird wieder die nächste Sau durchs Dorf getrieben“, so Rainer Moritz. Ob trotzdem weitere Vorkehrungen nötig sind, werde frühestens in zwei Wochen entschieden.
Wer hat es nicht schon selbst erlebt auf Facebook oder Twitter, teils sogar im eigenen Bekanntenkreis: Absurde Lügen, Verschwörungs ideologien, Beleidigungen und plumper Rassismus sind an der Tagesordnung–und der digitale Normal nutzer fragt sich, wieso so viel ungefilterter Hass einfach nicht unter Kontrolle zu bringen ist. Jahrelang haben EU und Bundesregierung bei den amerikanischen Social-MediaGiganten einen Kampf gegen Windmühlen geführt, diesen Missbrauch von Meinungsfreiheit endlich zu beenden und zumindest europäischem Recht anzupassen.
Beinahe ebenso lang haben sich Facebook und Twitter dagegen verwahrt – auf das heilige „First Amendment“verwiesen, jenen US Verfassungs zusatz, der die freie Rede buchstäblich über andere Gesetze stellt. Doch nun scheint man endlich begriffen zu haben, welche Rolle die eigenen Plattformen bei der Radikalisierung von Netz und Gesellschaft spielen. Dass auch der mächtigste Mann der Welt mit seinen Lügengespinsten das zu spüren bekommt, ist ein gutes, wenn auch spätes Zeichen der Einsicht.