Ich bleib’ im Hotel Mama!
Eine Hamburger Studentin erzählt, was sie mit 20 in ihrem Elternhaus hält
Die neue Generation Nesthocker:
Mama macht mir die Wäsche, Papa repariert mein Fahrrad – um nur einige vermeintliche Serviceleistungen im „Hotel Mama“zu nennen. Aber ist das wirklich der Grund dafür, dass ein Drittel der jungen Hamburgerinnen und Hamburger noch zu Hause wohnt?
„Das glaube ich nicht“, meint Chiara Luna und lacht verwundert. Sie selbst wohnt mit fast 21 noch im Haushalt ihrer Eltern wie übrigens rund 53 Prozent der Frauen ihres Jahrgangs.
Das ist kein neues Phänomen, seit Jahren verändert sich das Auszugsverhalten junger Menschen kaum. Laut einer Studie des Statistischen Bundesamtes leben in Hamburg rund 32 Prozent der Altersgruppe der 20- bis 25-Jährigen noch im Elternhaus – die Gründe dafür sind unterschiedlich.
„Meine Schwester hat mit mir gleichzeitig angefangen zu studieren, allerdings nicht in Hamburg. Deshalb mussten meine Eltern logischerweise erst mal sie mit einer Wohnung unterstützen und es ist einfach nicht drin, uns beiden eine Wohnung zu finanzieren“, erklärt die Lehramts-Studentin. Neben ihrem Studium arbeite sie in einer Nachhilfe-Schule, das Gehalt reiche einfach nicht für eine Wohnung in der Innenstadt.
BAföG bekommt sie nicht, und ihre Eltern können sich drei Wohnungen für ihre drei Töchter nicht leisten – erst recht nicht in einer Großstadt wie Hamburg. Aus der Studie des Statistischen Bundesamtes geht hervor, dass besonders in den ländlichen Gebieten die Kinder häufig erst spät aus dem Hotel Mama ausziehen.
Auch Chiara Luna entschied sie sich erst mal in ihrem Kinderzimmer in Bergstedt zu bleiben. Eine Dreiviertelstunde fährt sie jeden Morgen mit dem Fahrrad zur Vorlesung in die City Nord – ideal sei das nicht, aber so bleibe man wenigstens fit, meint sie lachend. „Und die Wohnungen, die ich mir leisten könnte, wären dann ja auch nicht direkt an der Uni“, gibt sie zu bedenken. Da ist sicher etwas dran, bei Quadratmeterpreisen von mehr als 14 Euro in den beliebten Stadtteilen ist das studentische Budget schnell ausgeschöpft.
Die Studentenwohnheime sind keine wirkliche Alternative. „Die Wartezeiten sind enorm lang, wenn man überhaupt einen Platz bekommt, dann auch nur eins der teureren Zimmer“, berichtet Chiara Luna.
Viele Kommilitonen lebten noch zu Hause, da fühle sie sich nicht wie ein Einzelfall. „Auch kulturell ist das in meiner Familie ganz normal, alle meine Cousins wohnen während des Studiums noch zu Hause. Meine Eltern machen mir also keinen Stress, dass ich möglichst bald ausziehen müsste“, erklärt die Studentin mit kolumbianischen Wurzeln. Sie habe aber im Freundeskreis auch schon das Gegenteil erlebt.
In den Genuss der angepriesenen Inklusivleistungen im „Hotel Mama“kommt sie übrigens eher selten. „Ich helfe im Haushalt mit, koche häufiger und putze die Badezimmer“, erzählt sie. Natürlich sei es angenehm, ab und zu bemuttert zu werden, aber so entspannt, wie sich das viele vorstellten, sei es nicht.
„Du bist eben deutlich weniger unabhängig. Ich kann zu Hause nicht einfach so machen, was ich will, ich muss das halt immer mit meinen Eltern absprechen – es ist ja schließlich ihr Haus“, sagt die angehende Englisch- und Spanisch-Lehrerin. Natürlich wolle sie auch irgendwann ausziehen, aber nicht um jeden Preis.
Bei den männlichen Vertretern der Altersgruppe scheint dieser Wunsch noch schwächer zu sein als bei den Damen. Erst mit durchschnittlich 24,4 Jahren verließen die Söhne 2019 das elterliche Nest. „Die jungen Frauen erzielen die besseren Bildungsergebnisse. Sie sind agiler im Umgang mit ihren Lebensherausforderungen, selbstständiger und selbstbewusster“, erklärt Jugendforscher Klaus Hurrelmann den Altersunterschied beim Auszug junger Männer und Frauen.
Es zeigt sich, dass es nicht nur die Faulheit der jungen Leute ist, die sie zu Hause hält. Für viele ist es finanziell schlicht die logischere Entscheidung, da die Mieten in Hamburg ohne Unterstützung durch Staat oder Eltern nicht zu stemmen sind.
Meine Eltern machen mir also keinen Stress, dass ich möglichst bald ausziehen müsste.