Hamburger Morgenpost

Ich bin noch immer eine „Rampensau“ Wie meinen Sie das?

GEBURTSTAG Iris Berben über ihren 70., die TV-Welt als Spielwiese und ihre beiden aktuellen Filme

- DAS INTERVIEW FÜHRTE KATJA SCHWEMMERS

Ob Goldene Kamera, Grimme-Preis oder Bundesverd­ienstkreuz – Iris Berben hat jede Auszeichnu­ng erhalten, die man sich als Schauspiel­erin in Deutschlan­d verdienen kann. Nach wie vor ist die Frau, die in Hamburg aufwuchs, eine der Großen im Geschäft. Am Mittwoch wird sie 70 Jahre alt. Zu diesem Anlass gibt’s gleich zwei neue Filme mit ihr in der Hauptrolle. Im Interview verrät sie, warum sie immer noch „Rampensau“ist und wieso sie froh ist, nicht in Pension geschickt zu werden.

MOPO: Frau Berben, wie ist es, in Zeiten von Corona seinen 70. Geburtstag zu feiern?

Iris Berben: Das ist eine ungewohnte Erfahrung, aber damit bin ich ja nicht alleine in dieser Zeit. Wie werden Sie Ihren Ehrentag verbringen?

Da ich momentan das große Glück habe, in Köln einen Vierteiler zu drehen, habe ich mir nur für diesen Tag frei erbeten. Und den werde ich wohl sehr entspannt und ruhig verbringen. Wie sind Sie durch die vergangene­n Monate gekommen?

Ich habe sehr viel gelesen. Bücher, die schon lange darauf gewartet haben. Filme und Serien gestreamt, die mich größtentei­ls in unterschie­dlicher Weise unterhalte­n haben. Und mit den Hufen gescharrt, weil mir mit Wucht so viel bewusster wurde, wie sehr wir Kunst und Kultur brauchen. Nicht als Luxusgut, sondern zum Überleben. Zu Ihrem Geburtstag gibt es gleich zwei Filme mit Ihnen im Fernsehen: In „Mein Altweibers­ommer“spielen Sie eine Frau, die eine lebensverä­ndernde Entscheidu­ng fällt. Was hat Ihr Leben nachhaltig verändert?

Sicherlich die Geburt meines

Sohnes. Ab da traf ich Entscheidu­ngen im Hinblick auf meinen Sohn. Geprägt haben mich außerdem die 60er, in denen ich groß geworden bin. Wir wollten ein anderes Leben und nicht nahtlos so weitermach­en wie die Generation vor uns. Diese Zeit hat mich gelehrt, wie wichtig es ist, Haltung zu zeigen. Als Schauspiel­erin will ich mich einbringen und Verantwort­ung übernehmen. Das ist gerade in diesen Zeiten wichtig, in denen die Gesellscha­ft Gefahr läuft, immer weiter auseinande­rzudriften.

In „Nicht totzukrieg­en“spielen Sie die Filmdiva Simone Mankus. Gibt es etwas, was Sie mit der Figur gemeinsam haben?

Wir fallen wohl beide in die Kategorie „Rampensau“, und auch bei mir gab es kleine Skandale – zumindest empfanden es andere so. Wir sind beide in einem Alter, in dem man Bilanz zieht. Aber anders als sie lebe ich nicht in der Vergangenh­eit und brauche auch keine überkandid­elten Diva-Auftritte. Die Welt und das Filmgeschä­ft haben sich verändert und ich mich zum Glück auch. Was nicht heißt, dass ich die kreative Spielwiese der 70er nicht vermisse und nicht doch mal wehmütig werde, wenn ich mich als junge Frau in alten Filmen sehe – für „Nicht tot zu kriegen“wurden ja einige Szenen und Bilder von früher verwendet. Was wäre ein Grund für Sie, mit dem Spielen aufzuhören?

Wenn man den Beruf krankheits­bedingt nicht mehr voll ausüben kann oder wenn man merkt, man wird nicht mehr angenommen oder wahrgenomm­en – dann sollte man schon die Reißleine ziehen. Bei mir sind die Antennen diesbezügl­ich immer weit ausgefahre­n, ich bin ein Sensibelch­en, was das betrifft.

Sind Sie trotzdem froh, dass Sie – anders als die meisten von uns – einen letzten Tag vor der Pensionier­ung nicht erleben müssen?

Ja, das bin ich. Denn sonst wäre ich bereits seit fünf Jahren in Rente! Dass ich auch diesbezügl­ich selbstbest­immt bin, ist ein Privileg. Ich bin froh, dass ich meinen Beruf, der auch Teil meines Lebens, meiner Leidenscha­ft, meiner Neugierde und meiner Lust ist, nicht an den Nagel hängen muss und es nicht heißt: Ab jetzt darf ich nicht mehr. Ich wüsste gar nicht, was ich machen sollte, denn ich bin im Leben nicht viel anderes als Schauspiel­erin.

Das, was ich als Schauspiel­erin brauche, die Neugier und die Empathie, andere Menschen zu begreifen und ihre Biografien nachvollzi­ehen zu können, macht mir schon auch im Leben Spaß. Weil mich Menschen interessie­ren und ich Lust auf Menschen habe. Sich in andere Menschen hineinzude­nken macht einem übrigens auch einen sehr weiten und toleranten Kopf.

➤ „Nicht totzukrieg­en“:

Heute, 10.8., 20.15 Uhr, ZDF ➤ „Mein Altweibers­ommer“: 12.8., 20.15 Uhr, Das Erste

Wenn man vom Publikum nicht mehr angenommen wird, sollte man die Reißleine ziehen.

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„Zufrieden sein ist Stillstand“, sagt Iris Berben, die Grande Dame des deutschen Films.
 ??  ?? „Mein Altweibers­ommer“: Ebba bricht aus ihrem gewohnten Leben aus.
„Mein Altweibers­ommer“: Ebba bricht aus ihrem gewohnten Leben aus.
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„Nicht totzukrieg­en“: Ein Stalker macht der einstigen Filmdiva Simone das Leben zur Hölle.

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