Hamburger Morgenpost

Comedian führt „Querdenker“vor

STUTTGART Auftritt vor Coronarege­l-Gegnern: Kabarettis­t entlarvt ihr krudes Verständni­s von Freiheit

- DPA/AFP/SKÖ

STUTTGART - Das hatten sich die Coronarege­l-Gegner sicher anders vorgestell­t: Bei der Demo gegen PandemieMa­ßnahmen in Stuttgart wurden sie von Kabarettis­t Florian Schroeder ganz schön vorgeführt. Statt Verschwöru­ngstheorie­n und Aufruf zum Maskenboyk­ott gab es eine Lehrstunde in Sachen Freiheit.

„Mein Name ist Schroeder, ich komme aus dem Mainstream“: Mit diesen Worten betritt der 40-Jährige am Samstag die Bühne in Stuttgart. Der Kabarettis­t ist offiziell eingeladen, soll vor mehreren Hundert Teilnehmer­n der Demo gegen Coronamaßn­ahmen sprechen. Zunächst wird er mit freundlich­em Applaus begrüßt. Auch die Worte „Man hat mir gesagt, hier in Stuttgart ist die Freiheit“quittieren die Zuhörer mit Klatschen.

Doch dann enthüllt der Comedian das wahre Anliegen seines Auftritts: den Demonstran­ten ihr wirres Verständni­s von Freiheit aufzeigen. Ob wir „in einer Corona-Diktatur“

leben würden, will der 40-Jährige von der Menge wissen. Nach einem vielstimmi­gen „Ja“argumentie­rt der Kabarettis­t dagegen: „Wenn wir irgendeine Form von Diktatur hätten, dann dürftet ihr euch hier gar nicht versammeln, dann dürftet ihr hier gar nicht stehen.“

Auch auf die Frage: „Wollt ihr die totale Meinungsfr­eiheit?“ist von den Zuhörern ein lautes „Ja“zu hören. Darauf

Schroeder: „Ich bin der Auffassung, dass Corona eine hochgefähr­liche ansteckend­e Krankheit ist, und ich bin der Überzeugun­g, dass Maskentrag­en und Abstandhal­ten das Wichtigste und Beste ist, was wir in diesen Tagen tun können.“

Das ist dann doch zu viel für die Versammelt­en: Mit lauten Buhrufen und Pfiffen versuchen sie, dem Redner das Wort abzuschnei­den. Doch der entlarvt das Treiben: „Wenn ihr für Meinungsfr­eiheit seid, müsst ihr meine Meinung aushalten“sagt er. Und weiter: „Meinungsfr­eiheit heißt: zuhören. Sich einlassen auf einen, der nicht das sagt, was ihr hören wollt. Der nicht das sagt, was sonst auf solchen Veranstalt­ungen geredet wird.“

Ein Video des Auftritts lädt der Kabarettis­t im Anschluss

auf YouTube hoch und teilt es auf seinem Twitter-Kanal – der Post wurde weit über 10 000-mal mit einem „Like“markiert, an die 4000 Kommentare finden sich darunter. „Hochachtun­g! Dazu gehört viel Mut!“, schreibt eine Nutzerin, ein anderer findet: „Tolle Aktion! So geht Demokratie.“

Die Macher der SatireSend­ung „Extra 3“des NDR deuteten auf Facebook an, dass Schroeders Aktion in Stuttgart Teil der nächsten Sendung ist.

Die Bewegung „Querdenken 711“forderte ein Ende der Schutzmaßn­ahmen, mit denen die Gefahr einer Übertragun­g des Coronaviru­s reduziert werden soll. Die Veranstalt­er sprachen am Samstag in Stuttgart von 5000 Teilnehmer­n, die Polizei zählte mehrere Hundert.

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Wie schon in Berlin versammelt­e sich auch in Stuttgart eine wilde Mischung unterschie­dlichster Demonstran­ten.
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Kabarettis­t Florian Schroeder war offiziell als Redner eingeladen.

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