Erzbischof Heße unter Beschuss
Brisantes Gutachten: Heße soll kirchliche Missbrauchsfälle vertuscht haben
Hat der Hamburger Erzbischof Stefan Heße bei seiner früheren Tätigkeit in Köln geholfen, Kindesmissbrauch durch Kleriker zu vertuschen? Ein vom Kölner Kardinal Rainer Maria Woelki in Auftrag gegebenes anwaltliches Gutachten belastet Heße: Er sei gleichgültig und ihm fehle Problembewusstsein. Der Erzbischof weist das zurück.
Bei den Vorwürfen geht es um Heßes frühere Tätigkeiten als Personalchef und Generalvikar im Kölner Erzbistum. Laut „Zeit“-Beilage „Christ & Welt“heißt es in dem bislang unveröffentlichten Gutachten: „Dieser Befund gestattet die Schlussfolgerung, dass es sich bei den Unzulänglichkeiten, einschließlich fehlender Opferfürsorge, nicht um Einzelfälle handelt, sondern um regelmäßig wiederkehrende, durchgängig festzustellende Mängel in der Sachbehandlung von Missbrauchsfällen basierend auf einer indifferenten, von fehlendem Problembewusstsein geprägten Haltung des Dr. Heße gegenüber Fällen sexuellen Missbrauchs Minderjähriger durch Kleriker.“
Das Gutachten der Münchner Anwälte kritisiert Heßes Verhalten in sechs Fällen. Im Interview mit „Christ & Welt“lässt Heße durchblicken, dass es sich dabei gar nicht um Kindesmissbrauch gehandelt habe: „In einem Fall war der mutmaßliche Betroffene zum Beispiel bereits erwachsen.“Warum er den Hilfesuchenden
die Glaubwürdigkeit absprach, wollte Heße mit Verweis auf den Datenschutz nicht erläutern.
Es sei schwierig gewesen: „Wir sind nun mal nicht die Polizei oder Staatsanwaltschaft. Unsere Möglichkeiten, die Wahrheit zu recherchieren, sind begrenzt“, so Heße: „Ich sehe darin kein fehlendes Problembewusstsein, ich habe nach bestem Wissen und Gewissen gehandelt.“
Im März 2020 sollte das Gutachten vorgestellt werden. Das Erzbistum Hamburg schritt ein: Die Studie sei rechtswidrig, unter anderem, weil sie das Persönlichkeitsrecht des Erzbischofs verletze. Auf MOPONachfrage erklärt Heße: „Ich habe von Anfang an eng mit der Münchner Kanzlei kooperiert. Ich bin der Auffassung, dass ich in den Fällen, die dort aufgeführt werden, mit guten Argumenten und Hinweisen auf handwerkliche Unzulänglichkeiten in der Recherche eine vollkommen gegenteilige Sicht der Dinge aufgemacht habe.“