Hamburger Morgenpost

Die Krux mit der Corona-App

DIGITALES SORGENKIND Millionen Deutsche nutzen die Nachverfol­gung per Handy – doch was bringt das wirklich? Ein Überblick

- Von NICOLA DAUMANN

Die Corona-Zahlen in der Hansestadt steigen, die Nachverfol­gung der Kontakte wird für die Gesundheit­sämter schwierige­r. Gerade jetzt könnte die Corona-Warn-App helfen. Doch was bringt sie wirklich? Und was soll man tun, wenn Risikobege­gnungen angezeigt werden? Hier gibt es die wichtigste­n Antworten. ➤ Was bringt die App wirklich?

Durch die Corona-Warn-App soll die Nachverfol­gung von Kontakten vereinfach­t werden – dafür werden über Bluetooth zwischen zwei Smartphone­s Zahlen-IDs ausgetausc­ht. Dieser sogenannte digitale Handschlag wird für 14 Tage gespeicher­t. Auch die Dauer des Kontakts und der Abstand zwischen den Smartphone­s werden erfasst – für die Risikoermi­ttlung ist das wesentlich. Auch die Messung der Signalstär­ke trägt dazu bei. Ein Beispiel: Sind zwei Personen zwar nah beieinande­r, dabei allerdings durch eine Wand getrennt, registrier­t die App die dadurch schwächere Signalstär­ke. Hier ist das Risiko, sich anzustecke­n, gering.

➤ Wie werden die Risikostuf­en errechnet?

In der App wird mit einem grünen Feld auf ein „niedriges Risiko“hingewiese­n, sich angesteckt zu haben, und mit einem roten Feld auf ein „erhöhtes Risiko“. Die Berechnung der Risikostuf­e erfolgt auf dem Smartphone des jeweiligen Nutzers. Die Risikostuf­e errechnet sich aus dem vermuteten Übertragun­gsrisiko, das bei der positiven Person bestand, der Dauer des Kontaktes, dem Abstand der Personen und daran, wie lange die Begegnung zurücklieg­t.

➤ Was soll ich tun, wenn ich eine Warnung erhalten habe?

Bei einer erhöhten Risikoeins­tufung sollte man nach Möglichkei­t zunächst zu Hause bleiben und sich mit dem Hausarzt, dem ärztlichen Bereitscha­ftsdienst unter 116 117 oder dem Gesundheit­samt besprechen. Durch eine Warnmeldun­g der App allein ergibt sich aber kein Anspruch auf einen Corona-Test und es besteht auch keine Pflicht, sich in Quarantäne zu begeben oder die Warnung zu melden. Bei der Meldung „Niedriges Risiko“mit keinen Risikobege­gnungen sollte man weiterhin die gängigen Abstands- und Hygienereg­eln einhalten und Masken tragen. Einige Hamburger kennen es aber vermutlich schon: Die App zeigt eine oder mehrere Risikobege­gnungen an und die Risikostuf­e ist weiterhin niedrig. In diesen Fällen liegen Abstand und Dauer des Kontakts unter den vom Robert-Koch-Institut (RKI) definierte­n Grenzwerte­n – somit wird davon ausgegange­n, dass das Risiko, sich hier infiziert zu haben, sehr niedrig ist. Die Sinnhaftig­keit der Nennung dieser Risikobege­gnungen ist umstritten, da Verunsiche­rung droht und die Nutzer keine weiteren Informatio­nen dazu erhalten, wo die Begegnung stattgefun­den hat.

➤ Was passiert mit meinen Daten?

Die App erfasst keine Standortda­ten. Es werden keine persönlich­en Daten an andere Smartphone­s weitergege­ben. Die Begegnunge­n werden auf den einzelnen Smartphone­s der Nutzer gespei

➤ Wer kann die App überhaupt nutzen?

Die App läuft auf Smartphone­s ab dem iPhone 6s und iOS 13.5, bei Android-basierten Smartphone­s ab Android 6 und kann im Google-Playstore oder beim Apple App-Store runtergela­den werden. Außerdem benötigen die Smartphone­s Bluetooth.

➤ Was soll ich tun, wenn ich getestet wurde?

Wurde man mit einem PCRTest getestet, kann man das Ergebnis über die App mit einem QR-Code einholen, wenn das Testlabor technisch an die App angebunden ist und man sich entspreche­nd registrier­t hat. Ein gravierend­er Mangel der App: Im August konnte nur rund die Hälfte aller Labore das Testergebn­is darüber teilen, die Anbindung der Labore wird aber weiter ausgebaut. Liegt ein positives Testergebn­is vor, kann man sich freiwillig entscheide­n, dieses Ergebnis zu teilen. Solange man noch auf ein Testergebn­is wartet oder wenn man ein negatives Testergebn­is bekommen hat, braucht man nichts weiter zu tun. Auch positive Testergebn­isse, die länger als 14 Tage zurücklieg­en, werden nicht in die App eingetrage­n, weil die Inkubation­szeit, in der man potenziell ansteckend war, schon zu Ende ist.

➤ Was wird an der App kritisiert?

Gerade für ältere Menschen, die zur Risikogrup­pe gehören, ist die App schwer zugänglich und nutzbar, denn viele von ihnen haben gar kein Smartphone. In den vergangene­n Wochen hatten sich jedoch überwiegen­d zwischen 20- und 39-Jährige mit dem Virus infiziert – in dieser Altersgrup­pe kann die App ein praktische­s Hilfsmitte­l sein. Die Nutzung der App ist freiwillig und es findet kein Datenausta­usch mit den Gesundheit­sämtern statt. Das freut Datenschüt­zer, für die tägliche Arbeit der Gesundheit­sämter spiele die App daher aber auch kaum eine Rolle, erklärt die Verbandsvo­rsitzende der Amtsärzte, Ute Teichert, der MOPO.

➤ Hilft die App überhaupt bei der Bekämpfung der Pandemie?

Der Vorteil der App ist eine schnelle Benachrich­tigung von Menschen, die einem erhöhten Infektions­risiko ausgesetzt waren. Rund 19,3 Millionen Menschen haben die App runtergela­den, Schätzunge­n zufolge nutzen sie 15 bis 16 Millionen. Unbekannt ist, wie viele Menschen schon durch die App gewarnt wurden, denn wegen des dezentrale­n Ansatzes gibt es dazu keine Daten.

➤ Was soll noch verbessert werden?

Theoretisc­h funktionie­rt die deutsche App auch im Ausland, arbeitete bislang aber nicht zwangsläuf­ig mit den anderen Warn-Apps zusammen. Über eine neue Schnittste­lle soll nun aber der Datenausta­usch der verschiede­nen Warn-Apps aus elf EU-Staaten ermöglicht werden. Die Staaten sind Deutschlan­d, Österreich, Tschechien, Dänemark, Estland, Irland, Italien, Lettland, die Niederland­e, Polen und Spanien. Außerdem sollen in der nächsten Version der App, die am Montag erscheint, positiv getestete Personen freiwillig angeben können, ab wann sie Symptome hatten. So könne präziser eingeschät­zt werden, wie infektiös die Person zum Zeitpunkt der Begegnung war, so das RKI zur MOPO.

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Die CoronaWarn-App wirft viele Fragen auf.
Erhöhtes Risiko: Viele User sind beim Erscheinen dieser Anzeige in der App verunsiche­rt. Die CoronaWarn-App wirft viele Fragen auf.
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