Van der Vaart: „Mein größtes HSV-Spiel“
Ex-Mittelfeldstar über den emotionalsten Moment:
Rafael van der Vaart ist der größte Star, der in diesem Jahrtausend für den HSV gespielt hat. Von 2005 bis 2008 und von 2012 bis 2015 lief er in 199 Spielen für die Hamburger auf. Dabei erzielte der 109-fache niederländische Nationalspieler 66 Tore, bereitete 55 Treffer vor. Die MOPO sprach mit ihm zum Start unserer wöchentlichen Podcast-Serie über sein „HSV-Spiel des Lebens“.
Seine beste Zeit in Hamburg hatte van der Vaart in seiner ersten HSV-Phase. Für gut fünf Millionen Euro war er 2005 von Ajax Amsterdam zum HSV gewechselt. Gleich in seinem ersten Jahr führte er die Hamburger in die Champions League. „Der kleine Engel“eroberte die Herzen der Fans im Sturm. Sportlich und abseits des Platzes verhalf er dem HSV zu neuem Glanz. Doch es gab auch schwierige Momente.
2007 wollte van der Vaart den HSV verlassen. Valencia lockte ihn, der HSV ließ ihn aber nicht gehen. Van der Vaart war sauer, weil ihm zugesagt worden war, dass man bei einem guten Angebot zumindest reden würde, doch davon wollte man im Volkspark plötzlich nichts mehr wissen. Um Druck aufzubauen, täuschte van der Vaart im UEFA-Cup-Qualifikationsspiel in Budapest eine Rückenverletzung vor, damit er nicht für den HSV spielen musste. Durch einen Einsatz wäre er für andere Vereine im internationalen Wettbewerb gesperrt gewesen. Einen Tag später setzte er noch einen drauf. Er ließ sich in Hamburg mit einem Valencia-Trikot fotografieren. Es folgte das Liga-Spiel gegen Leverkusen. Und van der Vaart erlebte einen Auftritt, den er in seinem Leben nie vergessen wird.
„Liebe, Hass, Jubel. In diesem Spiel gegen Leverkusen kam alles zusammen. Über dieses Spiel oder die ganze Woche kann man ein Buch schreiben“, erzählt van der Vaart, der sich an jeden Moment genau erinnern kann.
Als „Rafa“mit dem HSV aus Budapest zurückkam, warteten in Hamburg schon zwei Reporter aus Spanien auf ihn. „Ich war sauer, weil ich so gerne nach Valencia wollte. Ich hätte nie gesagt, ich gehe für fünf Millionen, die mussten richtig mit Kohle kommen. Sie haben 25 Millionen für mich geboten. Das war damals unglaublich viel Geld, aber beim HSV wollte man trotzdem nicht reden. Die Journalisten hatten ein Valencia-Trikot dabei. Ich war alleine zu Hause und es war sicher blöd von mir, aber ich habe gedacht, okay, machen wir einfach noch mehr Druck und dann haben wir das Foto gemacht.“
Als van der Vaart am nächsten Morgen zum Training kam, wurde er direkt von Trainer Huub Stevens in sein Büro gerufen. „Er sagte, Rafa, ich habe da etwas bekommen, ich glaube, da hat jemand etwas mit Photoshop gemacht. Das kann nicht stimmen. Ich sah das Foto und habe zu ihm gesagt, nein, das ist kein Photoshop. Huub meinte nur, oh, dann haben wir jetzt ein Problem.“
Van der Vaart wurde erst da bewusst, was er mit dem Foto ausgelöst hatte. Die Aufregung war riesig. Trotzdem wollte er im nächsten Spiel gegen Leverkusen für den HSV wieder auflaufen. Stevens befragte vorher allerdings noch die Mannschaft. „Alle haben gesagt, wenn er 100 Prozent gibt, ist es kein Problem, dann kann er von Anfang an spielen“, erzählt der Mittelfeldspieler, der an dem Wochenende Besuch von seiner Familie bekam. Sie wollte zum Spiel gegen Leverkusen ins Stadion gehen. Van der Vaart war dagegen. „Ich habe zu meinem Vater und meiner Mutter gesagt, dass sie lieber zu Hause bleiben sollen, da es sowieso ein ScheißNachmittag wird und die Leute mich nur auspfeifen werden. Ich hatte nie gedacht, dass es dann am Ende so ein Spiel wird.“
Als van der Vaart am Tag des Leverkusen-Spiels zum Aufwärmen auf den Platz ging, wurde er erwartungsgemäß von vielen Fans im Stadion ausgepfiffen. „Jeder hat gesagt, Vertrag ist Vertrag, das gilt auch für mich. Sie hatten natürlich alle recht“, erzählt Rafa, der auch in den ersten Minuten des Spiels immer wieder von den eigenen Fans ausgepfiffen wurde. „Aber ich habe
dann vielleicht eines meiner besten Spiele für den HSV gemacht. Nach zehn Minuten waren die Fans wieder leise. Sie haben vielleicht gedacht, leck mich am Arsch, der gibt alles für uns.“
Richtig spektakulär und emotional wurde es dann in der 64. Minute. Für van der Vaart war es ein Schlüsselmoment. Der HSV bekam einen Elfmeter. „Ich habe mir den Ball genommen und ich hatte fünf Sekunden lang den Gedanken, ich schieße das Ding jetzt einfach ganz weit drüber. Dann habe ich gedacht, nein, das kannst du nicht machen. Das ist viel zu groß, es gibt zu viele Fans, die dich lieben und auch an meine Mannschaft habe ich gedacht. Ich habe den Ball dann zum Glück einfach reingehauen. Das war Erleichterung pur.“
Plötzlich wurde van der Vaart von den Fans wieder gefeiert. Er war wieder der Held. Alles, was davor passiert war, war vergessen. Ein echter Gänsehaut-Moment im Volksparkstadion. Der HSV gewann das Spiel mit 1:0.
„Nach dem Spiel war Didi Beiersdorfer dann bei uns in der Kabine. Es sagte zu mir, Rafa, ich möchte mich bei dir bedanken. Ich habe ihm gesagt, aber ich möchte noch immer weg, das weißt du. Er sagte, ja, ich möchte mich bedanken, aber du bekommst 10 000 Euro Strafe. Ich habe nur noch geantwortet, die habe ich auch verdient.“
Das Ende der Geschichte: Van der Vaart blieb 2007 in Hamburg und spielte, obwohl er sauer und enttäuscht war, seine beste HSV-Saison mit zwölf Toren und zehn Vorlagen. Ein Jahr später wechselte er dann für 15 Millionen Euro zu Real Madrid.
Heute sagt van der Vaart über sein Auftreten vor dem Leverkusen-Spiel, dass er damals dumm und jung war. Die Verbindung und Liebe zum HSV hat darunter allerdings nicht gelitten. „Wenn man auf seine Karriere zurückschaut, macht man sich viele Gedanken. Natürlich war das schlecht damals und ich würde es auch jetzt anders machen, aber es macht auch die HSV-Zeit noch schöner, wenn man alles mit dem Verein geteilt hat.“
➤ Das komplette Gespräch von Florian Rebien mit Rafael van der Vaart hören Sie ab heute auf der Homepage der MOPO. Den ersten Teil des Podcasts „Das HSV-Spiel meines Lebens“können Sie zudem überall abrufen, wo es Podcasts gibt.
Ich habe gedacht, okay, machen wir einfach noch mehr Druck und dann haben wir das Foto gemacht.
Rafael van der Vaart