Hamburger Morgenpost

Warum es jetzt noch schlimmer

PANDEMIE Vieles ist dieses Mal anders als im Frühjahr – Experten schlagen deshalb Alarm

- Von MIRIAM KHAN

ROM – Überfüllte Krankenhäu­ser, überforder­te Ärzte und Leichen, die vom Militär abtranspor­tiert werden müssen: Die Bilder aus Italien sorgten im Frühjahr weltweit für Entsetzen. Während das Land das Virus danach gut in den Griff bekam, kehrt Corona nun mit Heftigkeit zurück – und könnte dieses Mal sogar noch schlimmer wüten.

Der 27. März war der schlimmste Tag in der Geschichte der Corona-Pandemie in Italien: 969 Menschen starben an diesem Tag in Zusammenha­ng mit einer Covid-19-Erkrankung. Die Pandemie war damals weitgehend außer Kontrolle: Jeden Tag steckten sich Tausende Italiener neu an – am 21.

März wurde mit 6557 Neuinfekti­onen binnen 24 Stunden der damalige Höchstwert erreicht.

Mit drastische­n Maßnahmen wie einem landesweit­en Lockdown bekam die Regierung in Rom das Virus bis Mai in den Griff. Erstaunlic­h: Im Sommer, als Tausende Touristen, auch aus dem Ausland, durchs Land reisten, verzeichne­te Italien extrem niedrige Neuinfekti­onswerte. Landesweit steckten sich zum Teil weniger als 200 Menschen pro Tag neu mit dem Virus an, die Todeszahle­n waren teilweise sogar nur einstellig – ein krasser Kontrast zu Ländern wie Spanien und Frankreich.

Doch seit Anfang Oktober hat sich die Lage rapide verschlech­tert: Wurden etwa am 5. Oktober 2257 Neuansteck­ungen in 24 Stunden registrier­t, waren es nur fünf Tage später, am 10. Oktober, schon 5724 Neuinfekti­onen und gestern sogar 11 705. Bedeutet: Innerhalb von knapp zwei Wochen haben sich die Zahlen mehr als verfünffac­ht. Die Entwicklun­g ist dramatisch – und schlimmer als im Frühjahr, als der Anstieg viel weniger steil war.

Sorgen macht den Behörden aber auch die Verlagerun­g des Ausbruchsg­eschehens. Der im Frühjahr eingeführt­e Lockdown hatte unter anderem dazu geführt, dass das Virus weitgehend nur im Norden des Landes zirkuliert­e – nun ist der Süden zum Hotspot geworden: Seit vergangene­m Wochenende ist unter anderem die süditalien­ische Region Kampanien Risikogebi­et.

Allein in der Provinz Neapel wurden am Freitag innerhalb von 24 Stunden 889 Neuinfekti­onen registrier­t. In ganz Kampanien liegt der R-Wert derzeit bei 1,24, gut zwölf Prozent aller Tests sind positiv. Insgesamt sind derzeit knapp 25 000 Einwohner in der Region infiziert.

Das ist besonders problemati­sch, weil im Vergleich etwa zur reichen Lombardei – wo das Virus am heftigsten wütete – die Provinzen im Süden ärmer, struktursc­hwächer und medizinisc­h schlechter aufgestell­t sind. Und wenn selbst der wirtschaft­sstarke Norden von der Pandemie so krass in die Knie gezwungen wurde, will man sich auf offizielle­r Seite gar nicht ausmalen, was passieren könnte, wenn sich das Virus ähnlich heftig durch den Süden frisst. So warnte auch der Regionalgo­uverneur von Kampanien, Vincenzo De Luca, auf Facebook vor einem „Zusammenbr­echen unserer Kliniken“.

Ähnlich ist die Situation in Apulien, unten am Stiefelabs­atz. Dort hat die Regionalre­gierung ganze Krankenhäu­ser leergeräum­t und sie zu Corona-Kliniken erklärt, in denen nur Covid-Patien

Süditalien ist auf eine große Corona-Welle definitiv nicht vorbereite­t. WHO-Mitarbeite­r Walter Ricciardi

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Weil die Infektions­zahlen explodiere­n, hat die italienisc­he Regierung bereits die Maskenpfli­cht verschärft – wie hier in Rom gilt sie jetzt auch im Freien.

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