Hamburger Morgenpost

„Wir haben sieben Millionen Spenden verteilt“

Janina Alff von Hanseatic Help zum 5. Geburtstag des Hamburger Hilfeverei­ns

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„Wie ist die Lage?“heißt der (fast) tägliche Podcast der Gute Leude Fabrik und der Hamburger Morgenpost. Darin spüren wir tagesaktue­llen Fragen nach – zu Wort kommen Macher, Musikerinn­en, Models, Mütter und Politiker, genau wie Helfer, Schwester, Schweißer, Freiberufl­er. Die Auswahl ist rein subjektiv, aber immer spannend und überrasche­nd. Heute macht dies Meierlikör möglich. Die Gespräche finden über das Telefon statt. In der aktuellen Folge spricht PR-Profi Lars Meier mit Janina Alff, Mitgründer­in von Hanseatic Help e.V.

Lars Meier: Liebe Frau Alff, fast auf den Tag genau entstand im Oktober 2015 der Hanseatic Help e.V., der Kleider und andere Spenden für Flüchtling­e sammelte – erst in den Messehalle­n, dann auch an anderen Punkten der Stadt. Wie sind Sie da hineingera­ten?

Janina Alff: Das frage ich mich manchmal auch noch. So wie viele andere, glaube ich. Ich habe gelesen, dass Menschen in den Messehalle­n untergebra­cht sind. Ich wohne dort um die Ecke und bin mit einer Tüte Kleidung hingegange­n und wollte kurz helfen: einen Pulli und eine Hose spenden. Und dann hat es mich aufgesaugt. Jetzt sind fünf Jahre vergangen und ich bin immer noch da. Nicht mehr in der Messehalle, aber bei Hanseatic Help.

Hatten Sie gerade Zeit oder wie war das damals?

Ich war selbststän­dig. Dementspre­chend hatte ich Zeit. Ich habe mir die Zeit genommen. Aber es war ja kein Plan vorhanden, mich da so reinzustür­zen. Und ich bin dann geblieben und nicht mehr aus dieser Halle hinausgega­ngen. Ich habe mein berufliche­s Leben komplett ignoriert und meine ganze Kraft in den Aufbau der Struktur der Messehalle gesteckt, um den Menschen in der Nebenhalle zu helfen. Ich war jeden Tag um 8 oder 9 Uhr die Erste und abends um 22 Uhr die Letzte vor Ort.

Sie haben den Verein im Oktober gegründet, angefangen hatte es im August. Wann kam der Zeitpunkt, an dem Sie sich gefragt haben, was Sie da eigentlich machen?

Das hat ziemlich lange gedauert, weil ich einen finanziell­en Puffer hatte und gar nicht mitgeschni­tten habe, dass das Konto immer leerer wird. Ich hatte nebenbei noch Ausgaben, aber es kam wenig rein. Die Jobs, die kamen, habe ich noch angenommen, aber nicht mehr neu akquiriert. So richtig gemerkt habe ich es erst im Sommer 2016, als meine Bank angerufen hat. Die Karte meines Geschäftsk­ontos war bereits im Automaten verschwund­en. Mein Bankberate­r rief an und meinte, er müsse mal mit mir über meinen Dispo sprechen. Das war der Punkt, an dem mir klar wurde, dass ich mich jetzt entscheide­n muss: Warum mache ich das hier und woher kommt jetzt bald wieder das Geld?

Was waren die Tätigkeite­n, die Sie damals ausgeführt haben?

Ich habe mich einfach von der Pike auf eingebrach­t. Ich habe in der Schuhabtei­lung begonnen und bin immer weitergewa­ndert. Ich habe dann die Ausgabe mit aufgebaut, um die Geflüchtet­en in der Nebenhalle zu versorgen. Als das beendet war und ein Team stand, bin ich weitergega­ngen und habe das Büro aufgebaut. Glückliche­rweise gab und gibt es eine Menge tolle Menschen, die dann die Aufgaben mit Leidenscha­ft und Kompetenz übernommen haben.

Sie sind von der Messehalle weggezogen und an der Großen Elbstraße sozusagen sesshaft geworden. Sie haben sich eingericht­et und wenn man in Hamburg von gemeinnütz­igen Vereinen spricht, erscheint Hanseatic Help sicherlich unter den ersten fünf. Gibt es mittlerwei­le eine Routine?

Für mich ist es nach wie vor so absurd, dass man uns so sieht. Ich sehe uns manchmal immer noch als die 32 Bekloppten aus St. Pauli, die diese Messehalle gekapert haben. Nichtsdest­otrotz: Wenn ich mir die Zahlen ansehe, wie viele Menschen und Organisati­onen wir versorgen, wie viele Hilfstrans­porte wir mittlerwei­le in die ganze Welt schicken, dann ist es so, dass ich mich mal kurz hinsetzen und schlucken muss und denke: „O.k., das haben wir alles gemacht und das machen wir wirklich?“

Können Sie Zahlen nennen?

Wir haben gerade die SiebenMill­ionen-Marke geknackt. Das heißt, wir haben sieben Millionen Artikel in den vergangene­n fünf Jahren verteilt. Ein Artikel ist eine Winterjack­e oder ein Paar Schuhe. Sieben Millionen Artikel, die an hilfsbedür­ftige Menschen gegangen sind. Wir haben über 200 Hilfstrans­porte in die ganze Welt geschickt, nach Syrien und in den Irak zum Beispiel, jetzt kürzlich zwei in den Libanon. Das sind Dinge, die wir uns vor fünf Jahren nie hätten träumen lassen. Zum Glück hatten wir diesen Plan nicht, denke ich manchmal, sondern wir haben aus der Not heraus gehandelt. Hätten wir einen großen Plan gehabt, hätten wir vielleicht nicht so frei agiert und wären nicht so spontan gewesen, wie wir es oft waren.

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